Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition)
hörte förmlich Kate, wie sie ihn bat, ihn nett und zuvorkommend zu behandeln. »Schönes Fleckchen.« Brian versenkte seine Hände in den Hosentaschen. »Haben Sie sich schon eingerichtet ?«
»Ja, ich bin gerade dabei, mich einzuleben.« Nathan zögerte, doch dann wagte er den nächsten Schritt. »Jagst du immer noch den Geisterhengst?«
Brian zwinkerte überrascht und neigte den Kopf zur Seite. Der Geisterhengst war eine Legende aus der Zeit, in denen Wildpferde über die Insel gestreift waren. In der Sage hieß es, daß das größte von ihnen, ein mächtiger, blitzschneller schwarzer Hengst, noch immer durch die Wälder zog. Und wem es gelang, ihn zu fangen, auf seinen Rücken zu springen und ihn zu reiten, dem würden alle Wünsche erfüllt.
Als Junge hatte sich Brian nichts sehnlicher gewünscht, als derjenige zu sein, der den Geisterhengst fing und ritt.
»Ich halte immer noch nach ihm Ausschau«, murmelte Brian und trat näher. »Kennen wir uns?«
»Wir haben hier eine Nacht draußen verbracht, auf der anderen Flußseite in einem zusammengeflickten Zelt. Wir hatten als Halfter ein Seil mitgenommen, außerdem zwei Taschenlampen und eine Tüte Chips. Und wir haben fest geglaubt, wirklich Hufe und ein hohes, wildes Wiehern gehört zu haben.« Nathan lächelte. »Vielleicht haben wir ’s ja wirklich gehört.«
Brians Augen weiteten sich, und die dunklen Schatten verschwanden aus seinem Blick. »Nate? Nate Delaney? Das gibt’s doch nicht!«
Die Verandatür quietschte zur Begrüßung, als Nathan sie aufstieß. »Komm hoch, Bri. Ich mach’ dir eine Tasse lausigen Kaffee.«
Grinsend stieg Brian die Treppe hoch. »Du hättest mir sagen sollen, daß du kommst, daß du hier bist.« Brians Hand schoß hervor und packte Nathans. »Tante Kate kümmert sich um die Vermietung der Cottages. Mein Gott, Nate, du siehst aus wie ein Penner.«
Mit entschuldigendem Grinsen fuhr sich Nathan über die Bartstoppeln. »Ich bin im Urlaub.«
»Nicht zu fassen. Nate Delaney.« Brian schüttelte noch immer ungläubig den Kopf. »Was hast du in all den Jahren gemacht? Wie geht’s Kyle und deinen Eltern?«
Das Lächeln verflog. »Erzähl ich dir später.« Zumindest einen Teil davon, fügte Nathan im stillen hinzu. »Zuerst mach’ ich den lausigen Kaffee.«
»Aber nein. Komm mit rüber ins Haus. Dort gibt’s einen anständigen Kaffee und was zum Essen.«
»Einverstanden. Laß mich nur schnell eine Hose und Schuhe anziehen.«
»Ich kann’s kaum glauben. Unser Yankee ist wieder da«, sagte Brian, als Nathan im Blockhaus verschwand. »Verdammt, da werden eine Menge Erinnerungen wach.«
Nathan drehte sich kurz um. »Das kann man wohl sagen.«
Wenig später saß Nathan in der Küche von Sanctuary, und der himmlische Duft von frischem Kaffee und gebratenem Speck stieg ihm in die Nase. Er schaute Brian zu, der mit geschickten Handgriffen Pilze und Paprika für die Omeletts hackte.
»Scheint so, als würdest du das nicht zum erstenmal machen.«
»Du hast offenbar die Hotel-Broschüre noch nicht gelesen. Meine Küche hat fünf Sterne.« Brian schob Nathan einen Kaffeebecher über den Tisch. »Hier, trink.«
Nathan schlürfte einen Schluck und schloß genießerisch die Augen. »Ich habe in den letzten zwei Tagen Spülbrühe getrunken, und das hat sicher seine Spuren hinterlassen, aber ich würde sagen, daß dies der beste Kaffee ist, den die zivilisierte Welt je gesehen hat.«
»Da hast du verdammt recht. Warum bist du denn nicht eher rübergekommen?«
»Ich hab’ mich eingelebt, gar nichts gemacht.« Und mich an die Geister der Vergangenheit gewöhnt, dachte Nathan. »Aber nachdem ich das hier probiert habe, werde ich Stammgast.«
Brian warf das geschnittene Gemüse in eine Pfanne und machte sich ans Käsereiben. »Warte erst, bis du mein Omelett probierst. Aber jetzt verrat mir, wie du so steinreich geworden
bist, daß du es dir leisten kannst, ein halbes Jahr nichts zu tun, außer am Strand zu sitzen?«
»Ich habe Arbeit mitgebracht. Ich bin Architekt. Solange ich mein Reißbrett und meinen Computer dabei habe, kann ich überall arbeiten.«
»Aha, Architekt.« An der Theke lehnend, schlug Brian die Eier auf. »Und – bist du gut?«
»Meine Gebäude können es mit deinem Kaffee aufnehmen.«
»Nun gut.« Grinsend wandte sich Brian dem Herd zu. Mit geübter Hand goß er die geschlagenen Eier in die Pfanne und warf dann einen Blick auf die Kekse, die er zum Bräunen in den Ofen geschoben hatte. »Und was macht
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