Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition)
Kyle? Ist er so reich und berühmt geworden, wie er es sich immer gewünscht hat?«
Nathan setzte den Kaffeebecher ab und wartete, bis sich seine Hände und seine Stimme stabilisierten. »Er war auf dem besten Weg. Er ist tot, Brian. Vor ein paar Monaten gestorben.«
»Himmel, Nathan.« Schockiert drehte sich Brian um. »Verdammt, das tut mir leid.«
»Er ist nach Europa gegangen und hat die letzten Jahre dort gelebt. Es ist auf einer Jacht passiert, bei einer Art Party. Kyle hat ziemlich viel gefeiert«, murmelte Nathan, während er sich über die Schläfen strich. »Sie sind auf dem Mittelmeer gekreuzt. Es hieß, daß er wohl zuviel getrunken hatte und über Bord fiel. Vielleicht hat er sich noch den Kopf angeschlagen. Jedenfalls war er sofort tot.«
»Das ist hart. Es tut mir sehr leid.« Brian wandte sich wieder seiner Pfanne zu. »Schlimme Sache, einen Angehörigen zu verlieren.«
»Das stimmt.« Nathan atmete tief durch und verschränkte die Arme vor der Brust. »Es ist nur ein paar Wochen nach dem Tod meiner Eltern passiert. Zugunglück in Südamerika. Dad war oft beruflich unterwegs, und nachdem Kyle und ich aus dem Haus waren, hat Mom ihn begleitet. Sie sagte, sie fühlten sich dann immer wie Frischverheiratete auf Hochzeitsreise.«
»Himmel, Nathan, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.«
»Sag nichts.« Nathan zuckte die Achseln. »Irgendwie geht’s weiter. Ich denke, daß Mom ohne Dad verloren gewesen wäre,
und ich weiß nicht, wie die beiden jemals Kyles Tod verarbeitet hätten. Man muß sich immer wieder klarmachen, daß alles im Leben einen Sinn hat und daß man damit fertig werden kann.«
»Aber manchmal stinkt der Sinn zum Himmel«, bemerkte Brian ruhig.
»Ziemlich oft sogar. Aber das ändert nichts an den Tatsachen. Es ist schön, wieder hier zu sein. Und es ist schön, dich wiederzusehen.«
»Wir haben einen tollen Sommer zusammen verbracht.«
»Einen der tollsten in meinem ganzen Leben.« Nathan brachte ein schiefes Lächeln zustande. »Gibst du mir dieses Omelett, oder muß ich erst darum betteln?«
»Betteln verboten.« Brian ließ es auf den Teller gleiten. »Aber ein Kniefall nach Verzehr erwünscht.«
Nathan griff nach der Gabel und machte sich über das köstlich duftende Omelett her. »Und jetzt erzähl mir deine Abenteuer der letzten zwanzig Jahre.«
»Viel Abenteuer gibt’s nicht zu berichten. Die Pension erfordert viel Zeit. Wir haben jetzt rund ums Jahr Gäste. Je hektischer ihr Leben wird, desto mehr Leute wollen ihm entfliehen. Zumindest für ein Wochenende. Und wohin flüchten sie? Auf unsere Insel. Wir beherbergen sie, bekochen sie, unterhalten sie.«
»Hast du Frau und Kinder?«
»Nein, du?«
»Ich hatte eine Frau«, antwortete Nathan trocken. »Wir haben uns getrennt. Keine Kinder. Deine Schwester hat mich übrigens empfangen. Jo Ellen.«
»Ach ja?« Brian schenkte Nathan Kaffee nach. »Sie ist selbst erst vor einer Woche angekommen. Lex ist auch hier. Wir sind eine große, glückliche Familie.«
Erstaunt nahm Nathan Brians ironischen Tonfall zur Kenntnis. »Und dein Dad?«
»Auch mit Dynamit bekäme man ihn nicht von Desire runter. Er fährt nicht mal mehr zum Einkaufen rüber aufs Festland.« Er blickte zur Tür und sah Lex hereinkommen.
»Die ersten Frühaufsteher schreien schon nach Kaffee«, begann
sie und brach ab, als sie Nathan erblickte. Wie auf Knopfdruck schleuderte sie ihr Haar zurück, legte den Kopf zur Seite und setzte ein verführerisches Lächeln auf. »Besuch in der Küche?« Lässig trat sie näher und lehnte sich lasziv an die Theke, umgeben von einem Hauch Eternity, das sie sich kurz zuvor aus einer Zeitschriftenprobe an den Hals gerieben hatte. »Sie müssen schon was Besonderes sein, wenn Brian Sie in sein Allerheiligstes vordringen läßt.«
Nathans Hormone schlugen einen instinktiven Purzelbaum, und beinahe hätte er angesichts des mehr als eindeutigen Auftritts laut losgelacht. Ein süßes Betthäschen, war sein erster Eindruck, den er jedoch nach einem längeren Blick in ihre Augen revidierte. Sie waren wach und ausgesprochen selbstbewußt. »Er hatte Mitleid mit einem alten Freund«, sagte Nathan.
»Ach, wirklich?« Ihr gefiel sein kantiges Äußeres, und mit Genugtuung registrierte sie das Wohlgefallen auf seinem Gesicht. Sie hatte ihre Wirkung nicht verfehlt. »Dann stell mir deinen alten Freund doch mal vor, Bruderherz. Wußte gar nicht, daß du einen hast.«
»Nathan Delaney«, sagte Brian knapp und wandte sich ab, um
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