Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Insel der Traumpfade Roman

Insel der Traumpfade Roman

Titel: Insel der Traumpfade Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley Marion Balkenhol
Vom Netzwerk:
auf seiner Stirn, vernahm das sanfte Summen einer Frauenstimme, und kurz bevor er die Augen aufschlug, dachte er, Anabarru sei gekommen, ihn zu holen. Doch als er flatternd die Augenlider hob, erstarrte er: Eine weiße Frau beugte sich zu ihm herab.
    »Ist schon gut«, sagte sie. »Ich heiße Susan Collinson, und ich mache dich wieder gesund.«
    Vor ihrer Berührung fuhr er zurück. Er hatte ihre Worte nicht verstanden, doch obwohl ihre Hand sanft war und ihre Stimme beruhigend klang, war sie eine Weiße, und deshalb konnte man ihr nicht trauen.
    »Ich habe die Kugel herausgeholt und die Wunde genäht«, sagte sie leise und deutete auf seinen Schenkel. »Die Holzstücke sind Schienen, um den Knochen still zu halten, solange er zusammenwächst.«
    Mandawuy besah sich das weiße Tuch und die Stöcke. Die Medizin der weißen Frau hatte allem Anschein nach die Schmerzen gelindert, trotzdem wollte er auf keinen Fall hierbleiben. Mit ausholender Handbewegung schob er sie fort und richtete sich mühsam auf, doch ihm wurde schwindlig, und er stellte fest, dass er sich nicht bewegen konnte. Er fiel auf den Rücken und sah den Mann, der sich hinter die Frau gestellt hatte. Seine Angst war so groß, dass er glaubte, das Herz bleibe ihm stehen.
    »Ich heiße Ezra«, sagte der Mann. »Wie heißt du?«
    Mandawuy starrte ihn ungläubig an. Der Mann hatte ihn in seiner eigenen Sprache angeredet. War das wieder so ein Trick der Weißen – oder war es Zauber? Wie auch immer, er beschloss, seinen Namen nicht zu nennen.
    »Für dein Alter bist du ein tapferer Krieger«, sagte der Mann. »Aber deine Freunde haben dich im Stich gelassen, und deine Verwundung ist so schwer, dass du im Busch auf dich allein gestellt nicht überleben würdest. Wir wollen dir nichts Böses. Wir wollen dich nur wieder gesund machen.«
    Mandawuy merkte, dass sein Lächeln freundlich war und seine Stimme nicht bedrohlich klang. Wäre er schwarz gewesen, hätte er ihn als einen Ältesten verehrt – aber er war weiß und daher der Feind. Er schloss die Augen und wandte den Kopf ab. Wütend überlegte er, wie er entkommen konnte.
    Kernow House, Watsons Bay, 4. März 1804
    Eloise saß an den geöffneten Fenstern im Wohnzimmer und las die Sydney Gazette . Oliver würde bald aus seinem Morgenschlaf erwachen und lauthals Nahrung fordern. Mit seinen zweieinhalb Jahren ließ er bereits erste Anzeichen der Ungeduld seines Großvaters erkennen.
    Sie warf einen Blick aus dem Fenster und sah, dass Charles und Harry mit ihren Ponys beschäftigt waren und Edward sich mit dem Stallknecht unterhielt. Eloise genoss die Ruhe und wandte sich wieder der Zeitung zu.
    Der Sträfling George Howe hatte vor einem Jahr die Erlaubnis erhalten, das wöchentliche Nachrichtenblatt in einem Schuppen hinter dem Regierungsgebäude zu drucken. Der Ton des Blattes war moralisch bis hin zur Pedanterie, kriecherisch in seinem Patriotismus und unerträglich großspurig, doch die Zeitung enthielt Nachrichten über ankommende und ablegende Schiffe, Auktionsergebnisse, Berichte über die Landwirtschaft und über Straftaten. Religiöser Rat und amtliche Erlasse für Siedler und Sträflinge gleichermaßen nahmen den größten Raum auf den vier Seiten in Anspruch, und die Nachrichten aus dem Ausland, die mit den Klippern hereinkamen, waren für gewöhnlich zehn bis fünfzehn Wochen überholt. Eloise verschlang die Zeitung jede Woche, denn es war die einzige in der Kolonie und hielt sie über das, was außerhalb dieser vier Wände passierte, auf dem Laufenden.
    Sie erstarrte, denn sie hatte Edwards erhobene Stimme vernommen, stand auf und eilte ans Fenster.
    »Du dummer Junge!«, brüllte er. »Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du aufrecht sitzen sollst? Kein Wunder, dass du immer wieder runterfällst.« Er zerrte Charles in die Höhe und warf ihn beinahe zurück in den Sattel. »Du bist fast sieben, um Himmels willen! Hör auf mit der Schnieferei.«
    Eloises Hände krallten sich in den Vorhang, als sie sah, dassHarry seinem Bruder zu Hilfe kam. »Es ist nicht seine Schuld«, sagte er nachdrücklich. »Das Pony hatte nicht genug Auslauf und wirft ihn deshalb dauernd ab.«
    Edward schenkte Harry ein Lächeln, und Eloise empfand eine Mischung aus Erleichterung und Verzweiflung. Harry war gerade erst fünf geworden, doch er hatte gelernt, seinen Vater abzulenken, wenn er mit Charles schimpfte – ihr Mann bevorzugte ihn gegenüber seinem Bruder. Aber wie ungerecht war es, dass Harry das Gefühl haben

Weitere Kostenlose Bücher