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Insel der Traumpfade Roman

Insel der Traumpfade Roman

Titel: Insel der Traumpfade Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley Marion Balkenhol
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gewesen und kehrten zu dem geheimen Lager zurück, das für das letzte Initiationsritual errichtet worden war. »Meinst du, es tut weh?«
    Kapirigi nickte. »Aber meine Brüder und mein Vater werden sich schämen, wenn ich laut schreie.«
    Mandawuy versuchte zu lächeln, es gelang ihm jedoch nicht, weil er zu nervös war. »Ich habe gehört, es gibt besonderen Rauch, um den Geist vom Schmerz abzulenken«, sagte er. »Wir müssen stark sein, Kapirigi.«
    »Kommt.« Der Älteste trat unter den Bäumen hervor und stellte sich ihnen in den Weg. »Es wird Zeit.«
    Die Jungen reichten ihm ihre Jagdbeute, zwei Wallabys und eine Schlange, und folgten ihm tief hinein in den Busch bis zu einer Stelle, an der ein offenes gunyah aus Gras errichtet worden war. In seiner Mitte qualmte ein Feuer in einem Rund aus Steinen.
    »Ihr geht hinein«, stimmte der Älteste in einem Singsang an, »und nehmt auf der Strohmatte Platz.«
    Mandawuy biss die Zähne zusammen. Er durfte nicht laut aufschreien, auch wenn es noch so schmerzhaft wäre – denn das würde ihn und seine Großmütter beschämen. Er schloss die Augen, als er die Ältesten ins gunyah kommen hörte, und lauschte ihrem Gesang. Der Rauch roch stark nach Eukalyptus, trieb ihm die Tränen in die Augen und brannte in seiner Kehle.
    Die Leichtigkeit in seinem Kopf nahm zu, und der Gesang schien ihn ganz einzunehmen, er dröhnte in ihm wie die Musik eines Didgeridoo. Der scharfe Stein schnitt in sein Fleisch. Die Stammeszeichen würden ihm immer erhalten bleiben. Es war ein Ausdruck des Stolzes, eine Anerkennung seiner selbst und der Rolle, die er für die Zukunft seines Stammes spielen würde.
    Die letzte Prüfung bestand darin, dass er seine Nase von einem angespitzten Knochen durchbohren ließ, und es erforderte seine gesamte noch vorhandene Kraft, vor Schmerz nicht laut aufzuschreien. Doch er musste dem Drang widerstehen, denn wenn er diese letzte Prüfung nicht bestünde, würde er aus dem Stamm ausgestoßen. Er könnte nicht heiraten oder am Feuer sitzen und gemeinsam mit den anderen essen.
    Als es vorbei war und die Ältesten gegangen waren, vernahm Mandawuy die Gesänge von außerhalb, die von rhythmischen Stockschlägen auf den Boden begleitet wurden. Es war der Klang einer großen Zahl von Kriegern, die bis zum Sonnenuntergang um das gunyah ziehen würden. Er schloss die Augen, ließ sich in die Musik hineingleiten, verlor sich im Rauch, der in gespenstischen Schwaden über ihn hinwegschwebte.
    »Komm. Es wird Zeit.«
    Mandawuy schlug die Augen auf, lächelte Kapirigi zu, und sie traten aus dem gunyah ins Freie, um sich unter lautem Jubel beglückwünschen zu lassen. Das Festmahl war bereit, und ihr Schmerz war vor Hunger fast vergessen. Er und die anderen frisch initiierten Jungen und Mädchen fielen über das Essen her und stopften sich voll, bis ihre Bäuche sich wölbten.
    Die Rituale für ihren Eintritt ins Erwachsenenalter dauerten viele Tage und Nächte. In dieser Zeit gab es viel Freude und große Festessen. Schwirrhölzer – flache Holzstücke unterschiedlicher Länge, an beiden Enden verjüngt und mit Stammeszeichen verziert – wurden an Schnüren im Kreis durch die Luft gewirbelt. Ihr sanftes, vibrierendes Summen nahm manchmal zu wie ein mächtiger Wind, dann wieder verringerte es sich zu einem Stöhnen. Der erdige, pulsierende Rhythmus des yidaki – des Didgeridoo – begleitete das Schlagen von Stöcken und das Stampfen der Füße.
    Am letzten Tag folgten Mandawuy und seine Freunde den Ältesten in die Mitte des Lagers. Die frisch initiierten Mädchen tauchten von ihrem rituellen Ort auf und stellten sich zu ihnen.
    Der Erste unter den Ältesten hob die Hand, um die zuschauenden Stammesmitglieder zum Schweigen zu bringen. »Ich erkläre diese jungen Menschen zu Männern und Frauen des Volkes der Ngndyandyi. Heißt sie willkommen.«
    Die Frauen unter den Zuschauern neigten die Köpfe, und ihre Männer standen auf. Jeder Mann hob Speer und nulla – die Holzkeule, die dazu benutzt wurde, zu betäuben oder zu töten – und zeigte auf die untergehende Sonne. »Jungen und Mädchen«, riefen sie, »ihr habt den Kampf des Lebens ausgetragen und gewonnen. Ihr seid zu Männern und Frauen vervollkommnet. Der Große Geist ist erfreut und wartet auf euch in der Heimat der Geister.«
    Mandawuy spürte, wie ihn die Macht seiner Vorfahren durchdrang, und wusste, dass die Entscheidung, die er auf dem Berg über dem Lager getroffen hatte, zu erfüllen war. Er schaute in

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