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Insel der Traumpfade Roman

Insel der Traumpfade Roman

Titel: Insel der Traumpfade Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley Marion Balkenhol
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bekommen.
    Derselbe Aufseher, der Niall heute beobachtete, war damals in den Hof stolziert, und seine Körpermasse und sein hässliches Gesicht hatten ihn von Anfang an abgeschreckt. Niall krümmte sich bei dem Gedanken, wie der Mann vor den aufgereihten Jungen auf und ab geschritten war und ihnen angekündigt hatte, welche Strafen sie erwarteten, sollten sie sich nicht an die Regeln halten: Das Laufrad, der Straßenbautrupp und fünfzig Peitschenhiebe waren schon entsetzlich, doch bei der Androhung der Lederhaube verkrampfte sich Nialls Magen noch immer. Es war ein teuflisches Foltergerät, das mit Schnallen an Hals und Hinterkopf befestigt wurde und nur winzige Löcher für Nase und Augen freiließ. Wer diese Haube für die Zeit der Strafe aufsetzen musste, verlor in der Regel den Verstand.
    Niall stammte aus einer armen Familie mit zu vielen Mäulern, die zu stopfen waren, und einem Haus, in das es hineinregnete, doch sein wahres Überlebenstraining hatte erst an jenem Tag begonnen. Er hatte gelernt zu schweigen und Prügel zu vermeiden, denn der Haube und der Peitsche zu entkommen bedeutete, an eine Zukunft zu glauben. Sich tausend Wunden oder Einzelhaft mit Haube einzuhandeln wäre Selbstmord gewesen. Doch jede Kränkung war zu einem weiteren Ansporn für seine Entschlossenheit geworden, nicht klein beizugeben, und wie die anderen Jungen erstrebte er die Freiheit, wieder nach Irland zurückzukehren.
    Die nachlassende Konzentration brachte Niall ins Straucheln, das Gewicht der Ketten zerrte an ihm, und er verhedderte sich in den Fesseln. Er fiel auf den scharfen Steinen auf die Knie, und schon spürte er die Peitsche auf der Schulter. Der Hass auf die Engländer, der ihm schon angeboren war, loderte auf. Eines Tages, schwor er sich, werde ich mich rächen.
    Sydney Town, eine Stunde später
    »Komm, lass uns die Formalitäten erledigen und nach Hause fahren, nach Moonrakers.« Jack schaute auf sie herab. »Du willst mich doch noch heiraten, oder?«, fragte er beinahe ängstlich.
    Alice nickte schüchtern und hakte sich bei ihm unter. Sie gingen von Bord und schlenderten am Kai entlang in die Stadt. Es war eigenartig, wieder neben ihm zu gehen. Ihr Tempo wurde durch seine verletzte Hüfte beeinträchtigt – sie wusste noch, dass sie in Sussex immer laufen musste, um mit ihm Schritt zu halten. Dennoch rührte dieser ruhige, scheue Mann ihr Herz in einer Weise wie kein anderer, und sie zweifelte keinen Augenblick, dass es richtig gewesen war, sich auf die weite Reise zu begeben, um wieder bei ihm zu sein.
    Die Freude über ihre Ankunft in Sydney wurde gedämpft durch den Anblick von Strafgefangenen beim Straßenbau, und zwangsläufig fiel ihr Mr Carltons Warnung ein. Die Männer in ihren zerfetzten Sachen und den schweren Fußfesseln waren erbärmlich anzusehen, dazu noch der kaltschnäuzige Aufseher, der mit der Peitsche knallte und Befehle bellte. Den Sträflingsfrauen ging es anscheinend etwas besser. Doch wie schrecklich musste es sein, als Zeichen für ihren Status Gelb tragen zu müssen und den ganzen Tag bei dieser Hitze an dampfenden Waschkesseln zu arbeiten!
    Alice versuchte, nicht auf den Anblick der Jungen zu reagieren, die schwere Felsbrocken schleppten und überladene Schubkarren mühsam über die grob gezogene Trasse schoben, doch es war unmöglich. »Sie sind noch so jung.« Sie packte Jacks Arm. »Sieh dir nur den Kleinen da an! Er ist bestimmt nicht älter als acht oder neun, und er kann mit der Kette an den Füßen kaum laufen.«
    Jacks Miene hatte sich verdunkelt. Vielleicht dachte er an seine Zeit an Bord des Todesschiffes der Zweiten Flotte zurück. »Die britische Regierung schenkt dem Alter keine Beachtung«, erwiderte er. »Die Jungen sind wie wir hierhin verbannt worden, und nur die Stärksten überleben.« Er seufzte abgrundtief. »Sie sind neu hier – die Ketten sind nur eine vorübergehende Maßnahme für die Jungen. Aber kein Kind sollte so behandelt werden. Und auch kein Mann.«
    Sie zuckten zusammen, als der fette Aufseher seine Peitsche auf den knochigen Rücken eines Jungen knallen ließ, der stehen geblieben war, um kurz durchzuatmen. »Männer wie der sollten einmal ihre eigene Medizin zu schmecken kriegen«, murmelte Jack, die Hände zu Fäusten geballt.
    Alice erstarrte, als der Junge den Kopf drehte und ihre Augen sich trafen. In diesem Moment erkannte sie, wie blass und verängstigt er war; dennoch lief es ihr kalt über den Rücken angesichts seines hasserfüllten Blicks, als

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