Insel der Traumpfade Roman
gegeben, und Edwards gesellschaftliches Ansehen ließ ihn kalt. Sie schlenderte hinter den beiden her, und während ihr Vater Fragen stellte, betrachtete sie das schöne Haus mit gemischten Gefühlen.
Eine Baumgruppe schützte es vor dem Wind, und am anderen Ende der großen Weide hinter dem Haus waren einige Ställe und Scheunen errichtet worden. Trotz des Holzgerüsts, des erst halb gedeckten Dachs und des noch unfertigen Schornsteins waren die eleganten Umrisse des Hauses zu erkennen. Es lag quadratisch auf dem flachen Hang, hatte hohe Fenster und Glastüren in beiden Stockwerken, die Zugang zu tiefen, mit schmiedeeisernen Gittern verzierten Veranden boten. Das Gebäude war weiß, die Fensterläden waren blau gestrichen, und die Haustür bestand aus hellem Holz, in das Edwards Familienwappen geschnitzt war. Ein Kiesweg verlief durch den noch unkultivierten Vorgarten zum Strand, wo das Meer wie geschmolzenes Glas heranrollte und sich weiß aufschäumend brach.
Eloise nahm die Perfektion dieses Hauses ohne innere Anteilnahme zur Kenntnis. Bald würden sie einziehen – und in jeder Linie, an jedem Detail fand sie Edwards Handschrift wieder –, aber wenn sie sich hier jemals zu Hause fühlen sollte, müsste ihre Ehe sich ändern.
Edward beantwortete die zahlreichen Fragen des Barons, doch seine Aufmerksamkeit galt seiner Frau. Sie gab ein herrliches Bild ab, wie sie da zwischen den Blumen stand und sein Haus bewunderte. Endlich, dachte er mürrisch, habe ich ihr imponiert! Vielleicht taut sie jetzt auf und weiß allmählich zu schätzen, was die Ehe mit mir ihr an Bequemlichkeit und Ansehen in der Gesellschaft gewährt.
Er wollte ihren Arm nehmen und sie durch das Haus führen, ihr seine Erregung mitteilen, wenn er ihr die herrlichen Aussichten aus den Fenstern zeigte, die Sorgfalt, die er der Treppe und den Kaminen hatte angedeihen lassen, die Lüster aus Kristall, die er aus Italien importiert hatte – denn das war das Heim, von dem er in den langen Jahren seines Exils geträumt hatte. Er hütete sich jedoch, es zu versuchen. Eloise hatte in den letzten Wochen deutlich gemacht, dass sie nur wenig mit ihm zu tun haben wollte. Er musste sein Verhalten bessern, sich in Geduld fassen und den Zauber des Hauses auf sie einwirken lassen. Sobald sie das Kinderzimmer leid wäre, würde sie seine Gesellschaft wieder suchen. Dann könnten sie vielleicht wieder zu der Wärme zurückfinden, die sie in den ersten beiden Monaten ihrer Ehe geteilt hatten.
Sydney Town, am selben Tag
Niall Logan war acht Jahre alt, und die Ketten an seinen Fußgelenken behinderten jeden Schritt, während er mühsam den schweren Felsbrocken zu schleppen versuchte. Er war vor knapp drei Wochen auf dem Sträflingsschiff Minerva nach New South Wales gekommen und hatte rasch gelernt, dass Strafen ohne Rücksicht auf Alter oder Vergehen ausgeteilt wurden.
Er biss die Zähne zusammen, drückte den Brocken an die Brust und taumelte über den holprigen Boden. Mit dem Schmerz im Rücken und mit jedem Schnitt in sein Fleisch wuchs sein Zorn gegen seine englischen Häscher. Kaum den Kinderschuhen entwachsen, hatte er die Ungerechtigkeit der britischen Herrschaft gespürt, die den Iren das Stimmrecht verweigerte und sie somit zu Sklaven degradierte, weil sie gläubige Katholiken waren.
»Beeil dich, Mick, du Mistkerl!«, schrie der Aufseher, der über ihm aufragte. »Sonst machst du Bekanntschaft mit der Peitsche.«
Niall trug den Stein zu dem Haufen und ließ ihn fallen. Seine Finger waren taub, die Nägel eingerissen, und sein Magen schien an seinem Rückrat zu kleben, so ausgehungert war er. Doch aus leidvoller Erfahrung wusste Niall, dass Zaudern ihm nur Prügel einbringen würde. Seine Gedanken überschlugen sich, während er zurückstolperte, um den nächsten Felsbrocken zu holen, den die Männer ausgruben, um die neue Straße anzulegen. Der Schock, den ihm seine Ankunft in Sydney versetzt hatte, war frisch wie am ersten Tag, und als er sich bückte, trieb ihn die Bitterkeit jener ersten Erinnerungen zur Eile an.
Man hatte ihn mit den anderen überlebenden Jungen von der Minerva zum Gefängnis gebracht, wo man sie in einem Innenhof zusammengetrieben und ihnen befohlen hatte, die verlausten Fetzen auszuziehen. Man hatte eiskaltes Wasser über sie geschüttet und ihnen grob die Köpfe geschoren, als sie sich, verängstigt und halb verhungert, zitternd duckten. Und alle Kinder hatten weite Leinenhosen, Hemden und schlecht sitzende Stiefel
Weitere Kostenlose Bücher