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Insel der Traumpfade Roman

Insel der Traumpfade Roman

Titel: Insel der Traumpfade Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley Marion Balkenhol
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der Aufseher drohte, ihn noch einmal zu schlagen. »Wir müssen etwas tun, ihm zu helfen«, drängte sie und zupfte an Jacks Ärmel.
    »Damit würden wir das Gesetz brechen«, murmelte er, »und ich habe nicht den Wunsch, mich wieder in Ketten legen zu lassen. Komm, Alice!«
    Sie wollte protestieren, doch Jacks Gesichtsausdruck verdeutlichte ihr, dass diese Szene für ihn etwas Alltägliches war. Sie hingegen würde es nie vergessen. Sie ließ sich von Jack fortführen, doch als sie einen Blick zurückwarf, schaute sie wieder in die Augen des Jungen. Stillschweigend versuchte sie, ihm Trost zu spenden. »Ein Kind kann doch unmöglich ein Verbrechen begangen haben, das so eine Strafe verdient.«
    »Ich vermute, die Jungs wurden in Irland als politische Täter aufgegriffen«, erklärte er. »Wenigstens wird man ihnen Lesen und Schreiben beibringen, und die meisten werden bei den Handwerkern unter den anderen Strafgefangenen in die Lehre gehen. Wenn sie freigelassen werden, haben sie eine Zukunft als Zimmerleute, Schuster und Maurer.«
    »Sofern sie nicht vorher sterben. Das Leben auf einem Hof in Sussex mag zwar auch hart sein für unsere Jugend, aber so grausam ist es nicht!«
    »Wenn du das Leben in Sussex mit dem hier vergleichst, wirst du dich nie einleben«, sagte er ihr. Seine Hand tastete nach der ihren. »Hier gibt es aber auch Gutes«, versicherte er ihr mit ruhiger Stimme.
    Sie betrachtete die Stadt nun mit anderen Augen, während sie zu dem Verwaltungsgebäude gingen, wo sie ihren speziellen Ehevertrag und die Landzuweisung für Alice abholen wollten. Der erste Eindruck war in der Tat trügerisch gewesen, denn mit Ausnahme einiger imposanter Bauten bestanden die Unterkünfte aus Holz und Dächern aus Segeltuch. Von der majestätischen Landschaft abgesehen gab es kaum Schönheit, sondern nur die harsche Realität einer Strafkolonie.
    Hinter der Fassade des anmutigen Regierungsgebäudes fielen Alice Elendsbaracken und schäbige kleine Hütten auf, die als Läden dienten. In schmalen Gassen lebten die Ärmsten der Stadt. Sie erhaschte einen Blick auf betrunkene Soldaten und Seeleute, Huren, Bettler und heruntergekommene Kinder, sah schlurfende Schwarze, die sich um eine Flasche Rum stritten; ihre Frauen kreischten ebenso laut und grapschten nach den Resten. Alice vernahm die Dialekte aller Grafschaften der britischen Inseln.
    Sie hob den Saum ihrer Röcke an und hielt sich ein Taschentuch vor die Nase, denn der Gestank war widerlich: Kot von Mensch und Tier verunreinigte Straßen und Gossen. Das war nicht das Paradies, und sie schauderte bei dem Lärm, dem Gestank und der ungezügelten Rohheit. »Sogar Kapstadt ist nicht so schlimm wie das hier«, sagte sie. »Die Holländer würden so ein … so ein … Chaos niemals dulden.«
    »Im Busch draußen ist es nicht so wie hier«, sagte Jack. Sie hatten das Meldeamt erreicht. »Bitte, urteile nicht, bevor du unsere Farm gesehen hast!«
    Sie sah die Sorgenfalten in seinem Gesicht und bemühte sich, ihre Zweifel hinter einem Lächeln zu verbergen. Sie hatte so lange gewartet, um bei ihm zu sein – wie konnte sie jetzt zaudern? Sie mochte sich zwar davor fürchten, was jenseits dieser rauen Straßen lag, doch sie war so weit gereist und hatte für den Liebsten freiwillig alles Vertraute aufgegeben. Die Entscheidung war gefallen. Mit Jack an ihrer Seite würde sie hier um ein gutes Leben kämpfen.
    Das Büro des Beamten roch muffig, und Alice merkte, dass sie trotz ihrer guten Vorsätze nervös war. Sie stand neben Jack und wartete auf den Beginn der Zeremonie. Sie würde den Mann heiraten, den sie anbetete, aber kaum noch kannte – und ihrer beider Verlegenheit nach der langen Trennung schüchterte sie ein.
    Jack schien ihre Unsicherheit zu spüren und umfasste ihre Hand. »Bist du dir sicher, dass du das hier willst? Wir können immer noch ein paar Monate warten.«
    »Hast du Zweifel?«, flüsterte sie zurück.
    »Niemals«, versicherte er. »Habe nur Angst, dass du mich nicht mehr haben willst.«
    Sie erwiderte den Druck seiner Hand. »Jetzt bist du albern. Natürlich will ich.«
    Der Beamte kam mit zwei Sekretären herein. »Ihre Papiere«, bat er in salbungsvollem Ton.
    Jack reichte ihm seine Freilassungsdokumente und Alice’ Geburtsurkunde. Seine Hand zitterte. Während der Beamte die Papiere prüfte, ließ Alice ihre Finger wieder zwischen die seinen gleiten.
    Unwillkürlich verglich sie diese Zeremonie mit der Hochzeit, die sie vor vielen Jahren geplant

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