Insel der Traumpfade Roman
dieser Idee zufrieden, denn sie hüpfte an Alice’ Seite zum Haus. Trotzdem war Alice bedrückt. Sollte Nell morgen nach Hause kommen, dürfte sie ihre enge, liebevolle Beziehung mit den Kindern nicht mehr fortsetzen, und sie wusste nicht, ob sie das ertragen konnte.
Sie ließ die beiden an dem Spruchband aus Mehlsäcken arbeiten, während sie das Abendessen vorbereitete. Ihr Tag hatte vor dem Morgengrauen angefangen und war noch lange nicht zu Ende, wenn die Kinder schliefen, doch die Erschöpfung war keine Last, denn Alice war erfüllt und glücklich.
Lächelnd sah sie zu, wie die Mädchen schwätzten und Bilder malten, und hoffte, dieser friedliche Zustand könnte andauern. Sie hatte feste Gewohnheiten und einen geregelten Tagesablauf eingeführt, denn nur so konnte sie sich abwechselnd um Haus und Kinder und um das Vieh kümmern. Die Kinder aßen am Tisch, gingen jeden Abend zur selben Zeit ins Bett und badeten regelmäßig. An jedem Morgen hatten sie eine Stunde leichten Unterricht, und jeden Abend wurde gebetet. Billy war froh gewesen, dass sie die Verantwortung übernahm, und hatte sich erleichtert geäußert, wie ordentlich ihr Leben geworden war. Er hatte hinzugefügt, dass Nell sich darüber freuen würde, was Alice geschafft hatte.
Alice hingegen befürchtete, Nell würde die Organisation ihrer Familie eher als unwillkommene Einmischung empfinden.
Auf dem Weg nach Moonrakers, am nächsten Tag
»Ich kann es kaum erwarten, die Kinder zu sehen«, sagte Nell, während das Pferd den schlammigen Weg entlangtrottete. »Sie müssen ja so groß geworden sein. Hoffentlich erkennen sie mich noch.«
Billy konzentrierte sich darauf, den Wagen möglichst nur durch kleinere Pfützen und Schlaglöcher zu lenken. Der Wolkenbruch kurz zuvor war heftig gewesen, aber zum Glück nur kurz. »Natürlich kennen sie dich noch«, murmelte er, »aber es hat Veränderungen auf Moonrakers gegeben.«
»Was für Veränderungen? Davon hast du nie etwas gesagt.«
Er schob seinen Hut zurück. Noch immer tropfte ihm Wasser in den Nacken, obwohl die Sonne jetzt hoch am Himmel stand. »Alice hat vorgeschlagen, dass wir einen Schurschuppen bauen, weil wir jetzt einen größeren Bestand haben. Er war fast fertiggestellt, als ich abfuhr, um dich zu holen.«
Nell kannte ihren Mann gut und sah ihm an, wie unangenehm ihm diese Unterhaltung war, doch sie schwieg und wartete ab, ob er ihr enthüllen würde, was sich sonst noch in ihrer Abwesenheit verändert hatte.
»Alice unterrichtet die Kinder jeden Morgen. Sie haben Lesen und Schreiben gelernt und können jetzt bis zehn zählen«, sagte er stolz. »Walter reitet manchmal auf seinem Pony mit mir hinaus und ist ein richtiger kleiner Mann geworden. Und die Mädchen …« Er hielt kurz inne. »Alice hat ihnen beigebracht, leichtere Hausarbeit zu übernehmen. Ihre Wutanfälle sind seltener geworden, weil sieregelmäßige Mahlzeiten bekommen und zur richtigen Zeit ins Bett gehen. Sie hat es fabelhaft gemacht, Nell.«
Seine Lobeshymne auf Alice überstieg ihre schlimmsten Befürchtungen. »Davon bin ich überzeugt«, sagte sie verbittert.
Billy zog an den Zügeln, hielt den Wagen an und schüttelte den letzten Rest Wasser von seinem Hut, um ihn dann wieder aufzusetzen. Er ergriff ihre Hand. »Nell«, hob er an, »du bist das reizendste, freundlichste, kostbarste Ding auf der Welt, aber manchmal treibst du mich an den Rand des Wahnsinns.«
»Wieso das denn?«
»Ohne Alice hätten Jack und ich das alles mit der Farm und den Kindern nicht geschafft. Ohne Alice hätten wir alle monatelang nichts Anständiges zu essen bekommen, und die Kinder wären verwildert. Warum kannst du ihr nicht dankbar sein?«
»Ich bin dankbar«, entgegnete sie.
»Nein, bist du nicht. Du bist eifersüchtig.«
»Ja, verdammt! Wie würde es dir denn gehen, wenn ich einen anderen Mann geholt hätte, der sich um mich und die Kinder gekümmert hätte, während du weg warst? Wie würde es dir gehen, wenn ich dir bei deiner Rückkehr sagen würde, er werde mit allem besser fertig als du?« Sie verschränkte die Arme. »Du wärst nämlich auch eifersüchtig.«
Billy starrte finster in die Ferne. »Du hast recht«, gab er schließlich zu.
»Du hättest ihn eher zusammengeschlagen als ihm die Wange geküsst und dich bei ihm bedankt.«
Er schaute besorgt unter dem Hutrand hervor. »Du hast dich verändert, Nell«, sagte er. »Ich habe mich in eine weiche, warme, liebevolle Frau verliebt, die dankbar für die Hilfe einer
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