Insel der Traumpfade Roman
anderen gewesen wäre. Sie hätte sich mit ihr angefreundet und wäre selig gewesen. Was ist in Hawks Head passiert, dass das anders geworden ist?«
»Die Monate bei Susan und ihrer Familie haben mir gezeigt, wie kostbar du und die Kinder für mich seid«, sagte sie sanft. »Ichliebe deine Schwester und ihren Mann, und ich bin dankbar für das, was sie getan haben – aber mir hat es nicht gefallen, so weit weg von Moonrakers zu sein und zu wissen, dass dort Alice meinen Platz einnehmen würde.«
Billy legte seine von der Arbeit raue Hand auf ihre Finger. »Alice könnte nie deinen Platz einnehmen. Sie ist nicht meine Frau, nicht die Mutter meiner Kinder, nur eine gute, liebe Seele, die eingesprungen ist, als sie gebraucht wurde.«
Nell stiegen heiße Tränen in die Augen, und sie blinzelte. »Ich habe Angst, Billy«, gab sie zu. »Was ist, wenn die Kleinen mich nicht mehr lieb haben? Ich könnte es nicht ertragen, sie zu verlieren.«
Billy zog sie in seine Arme. »Sie sprechen jeden Tag von dir – dafür habe ich gesorgt, genauso wie Jack und Alice. Sie haben nicht vergessen, wer du bist.« Er strich ihr eine feuchte Haarsträhne aus der Stirn und küsste ihre Augenbraue. »Das Fieber hat dich verwirrt. Nichts Wichtiges hat sich verändert.«
Sie rückte von ihm ab und schnäuzte sich die Nase, denn sie wollte unbedingt Stärke zeigen und auf alles vorbereitet sein, was sie auf Moonrakers vorfinden würde. »Und wieso sitzen wir dann hier noch rum? Lass uns nach Hause fahren.«
Moonrakers, am nächsten Tag
Die Kinder saßen in ihren besten Sachen auf der Veranda, das Haar gebürstet, dass es glänzte. Sie sollten in die Bilderbücher schauen, die Billy in der öffentlichen Schule in Sydney gekauft hatte, aber sie waren zu aufgeregt, um still zu sitzen, und liefen schon bald auf den Holzdielen auf und ab.
Das Spruchband war ans Dach der Veranda genagelt worden und flatterte in der warmen Brise, während die Sonne den Hof zu trocknen begann. Ein starker Regenguss war niedergegangen, hatte die Hitze aber nur geringfügig abgeschwächt.
»Ich habe ihnen doch gesagt, sie sollen sich nicht schmutzig machen«, sagte Alice, die neben Jack am Hofzaun stand und zusah, wie Walter in die Pfützen sprang.
»Sie sind aufgeregt«, erwiderte Jack, den Blick starr auf eine Stelle am anderen Flussufer gerichtet. »Der Gedanke, ihre Mutter könnte unterwegs nach Hause sein, ist für sie wichtiger als saubere Sachen.«
Alice wurde das Herz schwer, als sie in der Ferne unter den Bäumen eine Bewegung wahrnahm.
»Ich weiß, du liebst sie wie deine eigenen Kinder«, sagte Jack, »aber sie gehören zu Nell.« Er legte ihr einen Arm um die Taille. »Du hast sie gut behütet, Alice. Jetzt ist es Zeit, sie zurückzugeben und sich darauf zu konzentrieren, eine eigene Familie zu gründen.«
Sie lächelte matt. Es war vielleicht noch zu früh, aber bisher hatte sich das ersehnte Kind bei ihnen nicht eingestellt. Vielleicht war es ihr nicht bestimmt, Mutter zu werden. Vielleicht hatte sie zu lange gewartet.
Ein schriller Pfiff brachte sie in die Gegenwart zurück. Pferd und Wagen warteten auf das Floß, und dort neben Billy saß Nell auf dem Kutschbock. Kreischend rannten die Kinder ans Ufer. Der Schmerz in Alice’ Herz war beinahe unerträglich. »Ich habe unsere Sachen wieder aus ihrem Haus zurückgetragen«, sagte sie zu Jack. »Ich überlasse es dir und den Kindern, sie willkommen zu heißen, und fange schon mal an, die Schafe zu desinfizieren.«
»Das hat doch Zeit«, meinte Jack, den Arm noch um ihre Taille gelegt.
»Nein.« Sie wand sich aus seinem Griff und wusste, dass sie hässlich aussah mit den Tränen, die ihr über das Gesicht liefen. »Ich muss allein sein«, schluchzte sie. »Nur einen Augenblick.« Ohne auf seine Antwort zu warten, lief sie auf den neuen Schurschuppen zu, um das freudige Wiedersehen nicht miterleben zu müssen.
Der lange Tag war fast zu Ende, die Sonne näherte sich dem Horizont, und der Himmel war mit leuchtendem Purpurrot und Orange überzogen. Es war kühler geworden, und die Fliegenschwärme waren verschwunden, an ihre Stelle waren jedoch Moskitos getreten. Papageien und Rieseneisvögel hatten sich zur Ruhe begeben und riefen verschlafen aus den Bäumen; Kängurus und Wallabys tauchten aus dem Busch auf, um zu grasen.
Alice war erschöpft – nicht nur von der stundenlangen Arbeit mit den Schafen, die in den Rücken ging, sondern von den Kopfschmerzen, die sie schon den ganzen Tag plagten.
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