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Insel der Traumpfade Roman

Insel der Traumpfade Roman

Titel: Insel der Traumpfade Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley Marion Balkenhol
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Dekolleté, das sich kaum über dem eng geschnürten Mieder erhob. »So flachbrüstig war ich wirklich noch nie«, stellte sie fest. Dann warf sie ihre Locken in den Nacken und reckte das Kinn. »Aber das kommt wieder, sobald ich in meinem eigenen Zuhause bin und alles wieder im Griff habe. Du wirst schon sehen.«
    Susan kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe.
    Nell wusste, woran sie dachte, und da sie nicht über Alice sprechen wollte, kam sie ihr zuvor. »Ich verabschiede mich von den anderen«, sagte sie rasch. »Billy soll in einer halben Stunde fertig sein.«
    Fast eine Stunde später kletterte Nell auf den Wagen und setzte sich neben Billy. Sie hatte sich verabschiedet und war bereit, nach Hause zu fahren, doch als sie nun die einzelnen Mitglieder der Familie vor sich sah, die sich ihr zuwandten, hätte sie am liebsten alle mitgenommen.
    Ezra war in den vergangenen Monaten für sie wie ein Vater geworden. Er war fünfundfünfzig, sah jedoch in dem schäbigen schwarzen Rock und dem breitrandigen Hut zehn Jahre älter aus. Sein Haar war weiß, sein längliches Gesicht blass und zerfurcht, seine Schultern gebeugt. Er hatte sich nie von Millicents Selbstmord und Florence’ Abreise erholt, und die Bürde, die Hawkesbury-Mission zu leiten, raubte ihm die letzte Kraft. Dennoch hatte er sich mit großer Freundlichkeit während ihrer Rekonvaleszenz um sie gekümmert: Er hatte viele Stunden bei ihr gesessen, hatte ihr vorgelesen und ihr dabei geholfen, das Alphabet zu lernen.
    Ernest hatte die Größe und das zurückhaltende Wesen von seinem Vater, damit war die Ähnlichkeit aber schon erschöpft. Sein gebräuntes Gesicht verriet Vitalität und Gesundheit. Die Unverwüstlichkeit der Jugend hatte ihn den Verlust von Millicent, seiner ersten großen Liebe, überstehen lassen, und jetzt freute er sich auf eine strahlende Zukunft mit seiner Frau und dem Kind, das sie erwartete.
    Nell lächelte auf Bess hinab, eine bodenständige junge Frau, die schwer arbeitete und eine fröhliche Art hatte, um die Nell sie nur beneiden konnte. Drall und geschäftig wie sie war, hatten sie alle schnell ins Herz geschlossen. Nell unterdrückte blinzelnd ihre Tränen und warf Susan eine letzte Kusshand zu. »Lass uns fahren, Billy«, murmelte sie. »Noch einen Augenblick, und ich heule los.«
    Moonrakers, 9. Januar 1798
    Alice stellte den Wäschekorb auf dem Boden ab und reckte den Rücken. Sie war erschöpft, aber in Hochstimmung, weil sie und Jack in den letzten paar Monaten ein ungeheures Arbeitspensum geschafft hatten. Die Farm gedieh, die Kinder waren glücklich, und das Einzige, womit sie Schwierigkeiten hatte, waren die Aborigines. Die Eingeborenenkinder waren eine Freude, richteten aber oft Unheil an und liefen einem wie Mäuse ständig zwischen den Füßen herum. Die Männer ließen sich kaum blicken. Sie kamen nur ans Haus, wenn sie um Tabak oder um einen Schluck Rum betteln wollten – die Vorstellung, für solche Vergünstigungen zu arbeiten, war ihnen offenbar zuwider.
    Jetzt waren drei Aborigines-Frauen über den Hof geschlendert und hatten sich an den Zaun neben sie gelehnt. Gladys, Pearl und Daisy waren so müßig, wie man es sich nur vorstellen konnte. Sie weigerten sich, im Haus zu helfen, stibitzten Nahrungsmittel aus der Vorratskammer und standen für gewöhnlich im Weg – doch Alice hatte sich wenigstens allmählich an ihren üblen Geruch gewöhnt und wusste ihre Hilfe bei den Kindern zu schätzen, wenn sie selbst gerade mit dem Vieh beschäftigt war. Die Kleinen liebten die Freiheit des Eingeborenenlagers, in dem sie sich ausziehen, schmutzig machen und fragwürdige Nahrung zu sich nehmen konnten, die in der Asche des Lagerfeuers zubereitet wurde. Allerdings, dachte Alice beim Anblick der frischen Wäsche, die an der Leine im Wind flatterte, hat ein bisschen Dreck noch keinem geschadet, und die Kinder gediehen darin – auch wenn es dadurch an jedem Tag mehr zu waschen gab.
    »Bist wohl jetzt die Missus hier«, sagte Gladys und unterbrach ihre Gedanken. »Mit zwei Bossen!« Sie stieß Alice in die Seite, und die drei Aborigines brachen in schallendes Gelächter aus.
    Alice schaute sie missbilligend an. »Ganz bestimmt nicht«, erklärte sie. »Zwei Bosse, zwei Missus. Nell ist bald wieder da.«
    »Missus Nell lange weg«, sagte Gladys bedächtig. »Boss Billy wird einsam.«
    Alice war froh, dass niemand in der Nähe war und diese Unterhaltung mitbekam. Sie war gekränkt, dass jemand auch nur annehmen konnte, sie sei so

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