Insel der Traumpfade Roman
eine Frau. »Jack ist mein Boss, nicht Billy«, sagte sie mit Nachdruck. »Und ich wäre euch dankbar, wenn ihr so einen Klatsch nicht weitertragen würdet.«
Gladys’ Augen funkelten vergnügt, als sie auf die anderen zwei Frauen in Eingeborenensprache einplapperte.
Alice verstand kein Wort, doch die Bedeutung wurde durch ihre Gesten klar. Gladys schüttelte den Kopf, und die anderen lachten gackernd, während sie sich gemächlich entfernten. Alice seufzte empört. Wenn Nell solche Gerüchte zu Ohren kämen, würde es endlosen Ärger geben. Vorerst aber wollte sie das Geschwätz überhören und hoffen, dass es von selbst aufhörte.
Sie ließ den Wäschekorb stehen und betrat den neuen Schurschuppen mit seinem angenehmen Duft nach frisch behauenem Holz. Jack und die Sträflinge hatten ihn am Nachmittag fertiggestellt. Es hatte Rum für alle gegeben, und sie hatten diesen nächsten Schritt auf dem Weg zum Aufbau von Moonrakers gefeiert.
Sie genoss die Stille. Ein paar von Staub durchsetzte Sonnenstrahlen fielen durch die Dachsparren hoch über ihr und warfen goldene Streifen auf den Boden, der letzten Endes vom Schweiß der Schafscherer gebleicht werden würde. Jetzt waren die Verschläge noch leer und der schwere Tisch sauber, doch schon bald würde dort dicke Schur sortiert werden, und die Holzrampen würden unter trampelnden Hufen vibrieren. Sie hörte schon fast die Rufe – › Wolle weg! Teer! Schafe! ‹ – in dem noch klösterlich stillen Bau und meinte, das Lanolin, den Schweiß und den Teer zu riechen.
Das Geräusch ihrer Stiefelabsätze hallte wider, als sie um die kleinen Schleifsteine mit ihren dünnen Griffen und der breiten, rauen Oberfläche herum ans andere Ende ging, wo die großeWollpresse auf den ersten Ballen einer neuen Schurzeit wartete. Die Fenster in den Verschlägen waren jetzt mit Holzläden verschlossen, doch wenn die Männer im April kämen, würde man sie weit öffnen.
Alice war selig. Dank des Erfolgs der letzten Schur war das alles möglich gewesen. Der Wollertrag hatte alle Erwartungen übertroffen und ihnen erlaubt, diesen prächtigen Schuppen zu bauen und ihrem vermögenden Nachbarn John Macarthur noch mehr Merinoschafe abzukaufen. Jetzt war ihre Herde durch die Lämmer im Frühling und im Sommer bereits auf die dreifache Größe angewachsen.
»Mama!«, rief ein Piepsstimmchen am Eingang.
Alice’ Herz zog sich zusammen. Sie ging durch den Schuppen zurück und nahm Sarah in die Arme. Sie war in Nells Kinder vernarrt, besonders in Sarah. Sie küsste die weichen Locken, drückte das Kind fest an sich und wünschte sich wieder einmal, sie hätte ein eigenes.
»Mama, was machst du?«, fragte Sarah.
»Sie ist nicht unsere Mama«, rief Amy ungehalten und lief zu ihnen. »Mama ist bei Tante Susan.« Unter ihren leuchtend roten Locken funkelte sie ihre Schwester an, verschränkte die Arme vor der Brust und stampfte mit dem kleinen Fuß auf.
Alice musste sich das Lachen verkneifen. Amy sah ihrer Mutter so ähnlich, und obwohl sie noch keine sieben Jahre alt war, hatte sie schon Nells Art angenommen. Sie schenkte dem kleinen Mädchen ein Lächeln. »Du hast recht«, sagte sie sanft. »Ich bin nicht eure Mama, und Sarah, du musst daran denken, mich Tante Alice zu nennen.«
»Will ich aber nicht«, schmollte Sarah.
Alice nahm die beiden an die Hand und führte sie hinaus, bevor sich Sarahs Unwille zu einem Wutanfall steigern konnte. »Euer Papa kommt morgen nach Hause«, sagte sie. »Sollen wir nicht ein Spruchband basteln, mit dem wir ihn willkommen heißen?«
»Kommt Mama diesmal mit ihm nach Hause?« Amy wartete mit unbewegtem Blick auf eine Antwort.
Billy hatte Nell in den letzten Monaten so oft besucht, wie er konnte, und besonders Amy war immer enttäuscht, wenn er allein zurückkam. »Vielleicht«, wich Alice aus. »Wenn es ihr gut genug geht, um eine so weite Strecke zurückzulegen.«
»Ich will meine andere Mama nicht«, schluchzte Sarah. »Ich will dich.« Sie umschlang Alice’ Beine. Alice hob sie hoch und setzte sie sich auf die Hüfte. »Ich gehe ja nicht fort«, beruhigte sie das Kind. »Aber deine Mama wird bald hier sein, und sie kann es kaum erwarten, dich zu sehen. Sie liebt dich sehr und muss ohne euch alle bei Tante Susan sehr einsam gewesen sein.«
Sarah schniefte, und Alice putzte ihr die Nase. »Komm, Amy, du kannst mir mit dem Spruchband helfen, und wenn wir heute Abend ordentlich beten, kommt deine Mutter vielleicht auch.«
Offenbar war Amy mit
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