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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Meynell getan hatten. Den beiden standen schwere Zeiten bevor.
    Bordarzt Balmain wusste eine Antwort auf die gedrückte Stimmung und allgemeine Niedergeschlagenheit im Gefängnis: Er ließ wieder ausschwefeln, schrubben und tünchen.
     
    Kapstadt war schön, gewiss, doch nach Ansicht der Gefangenen, die freilich auf den bloßen Augenschein angewiesen waren, konnte es Rio de Janeiro nicht das Wasser reichen. Rio bot nicht nur einen überwältigenden Anblick, sondern war auch eine lebensprühende Stadt voller fröhlicher, natürlicher Menschen. Kapstadt war dagegen eher eine herbe Schönheit. Die Sträflinge vermissten die lustig bunten Proviantboote, und die schwarzen Gesichter, die sie sahen, lächelten nicht. Das mochte am streng kalvinistischen, holländischen Charakter der Stadt liegen. Viele Häuser waren weiß gestrichen
- was nicht die Lieblingsfarbe der Sträflinge auf der Alexander war -, und in der Stadt wuchsen nur wenig Bäume. Ein hoher Berg, oben flach und bewaldet, ragte hinter einer schmalen Küstenebene auf, und was in den Büchern stand, stimmte: Eine dichte weiße Wolkendecke senkte sich herab und breitete ein Tuch über den Tafelberg.
    Die Flotte traf am 14. Oktober ein, 39 Tage nachdem sie in Rio ausgelaufen war. In Kapstadt war Frühling. Vor nunmehr 154 Tagen oder 22 Wochen hatte die Flotte Portsmouth verlassen, und obwohl sie mittlerweile 9400 Landmeilen zurückgelegt hatte, stand ihr noch eine weite Reise bevor. Zu keinem Zeitpunkt waren die elf Schiffe versprengt worden. Arthur Phillip, der Gouverneur und Kommodore, hatte seine kleine Herde gut zusammengehalten.
    Der Aufenthalt in einem Hafen bedeutete für die Sträflinge ruhige Decks und bessere Verpflegung. Schon am ersten Tag nach dem Einlaufen kam frisches Fleisch an Bord, dazu köstliches weiches Brot, Kohl und eine Art dunkelgrünes Blattgemüse, das einen kräftigen Geschmack hatte. Der Appetit meldete sich zurück, und die Sträflinge gingen an die lebenswichtige Aufgabe, sich für die nächste und letzte Etappe zu stärken, die angeblich noch einmal 500 Meilen länger war als die Strecke von Plymouth nach Rio.
    »Bislang hat es nur zwei Fahrten zu unserem Reiseziel gegeben«, sagte Stephen Donovan, enttäuscht, dass Richard keine Butter von ihm annahm. »Der Niederländer Abel Tasman hat bei seiner Reise vor über hundert Jahren Karten angefertigt, und natürlich besitzen wir auch die Karten von Captain Cook und seinem Untergebenen Captain Furneaux, der bei Cooks zweiter Fahrt bis zu einem tief im Süden gelegenen Land aus Eis vorgestoßen ist. Aber niemand weiß etwas Genaues. Wir werden mit unseren elf Schiffen versuchen, vom Kap der Guten Hoffnung nach Neusüdwales zu segeln. Ist Neusüdwales ein Teil von Neuholland, das zweitausend Meilen westlich davon liegt? Cook war sich nicht sicher, weil er nie eine Südküste entdeckt hat, die beide Gebiete verbindet. Er und Furneaux konnten lediglich nachweisen, dass Van-Diemens-Land nicht zu Neuseeland gehört, wie Tasman angenommen
hatte. Wahrscheinlich ist es die Südspitze von Neusüdwales, das sich von Van-Diemens-Land zweitausend Meilen nach Norden erstreckt. Wenn das große Südland wirklich existiert, so ist es nie umsegelt worden. Aber wenn es existiert, dann muss es drei Millionen Quadratmeilen umfassen, also mehr als ganz Europa.«
    Richards Herz begann zu pochen. »Soll das heißen, dass wir keine Lotsen haben?«
    »Gewissermaßen. Nur Tasman und Cook.«
    »Ist das der Grund, warum alle Entdecker um das Kap Hoorn herum in den Pazifik gefahren sind?«
    »Ja. Selbst Captain Cook hat die Route ums Kap Hoorn bevorzugt. Das Kap der Guten Hoffnung gilt als der Seeweg nach Ostindien, Bengalen und China, nicht in den Pazifik. Sehen Sie sich den Hafen an. Auslaufende Schiffe, wohin das Auge blickt.« Donovan deutete auf mehr als ein Dutzend Fahrzeuge. »Ja, die segeln nach Osten, aber auch nach Norden. Sie nutzen eine Strömung im Indischen Ozean, die sie bis nach Batavia trägt. Wenn sie diese Breiten erreichen, setzt gerade der Sommermonsun ein. Mit ihm fahren sie weiter nach Norden, und mit den Winterpassaten dann wieder in Richtung Heimat, voll beladen. Drei große Meeresströmungen kommen ihnen dabei zu Hilfe. Die erste trägt sie durch die Straße zwischen Afrika und Madagaskar, die zweite ums Kap der Guten Hoffnung herum in den Südatlantik, die dritte an der afrikanischen Westküste entlang nach Norden. Winde sind wichtig, aber Strömungen sind bisweilen noch

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