Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
Vom Netzwerk:
wichtiger.«
    Donovans ernste Miene stimmte Richard besorgt. »Mr Donovan, was verschweigen Sie mir?«
    »Sie merken auch alles. Gut, ich will offen sein. Die zweite Strömung, die am Kap der Guten Hoffnung, verläuft von Osten nach Westen. Ideal für die Heimreise, aber denkbar ungünstig in der entgegengesetzten Richtung. Ausweichen geht nicht, denn sie ist über hundert Meilen breit. Wer in nordöstlicher Richtung nach Ostindien segelt, kann sie bezwingen. Wir aber müssen die großen Westwinde weit südlich des Kaps suchen, und das ist für einen Seemann eine ungleich schwierigere Aufgabe. Unsere letzte Etappe
wird sich in die Länge ziehen, denn der Weg nach Osten ist nicht leicht zu finden. Ich bin schon nach Bengalen und China gesegelt, daher kenne ich die Südspitze Afrikas gut.«
    Richard sah den vierten Maat mit einer gewissen Verwunderung an. »Mr Donovan, warum haben Sie eigentlich für diese Reise ins Ungewisse angemustert, in eine Gegend, in der außer Captain Cook noch niemand gewesen ist?«
    Die schönen blauen Augen funkelten. »Weil ich ein Teil der Geschichte sein will, so unbedeutend meine Rolle auch sein mag. Wir haben uns auf ein grandioses Abenteuer eingelassen. Wir unternehmen keine Routinefahrt in altbekannte Gegenden, auch wenn diese Gegenden so verlockende Namen wie China haben. Ich hatte nicht die Beziehungen, die man braucht, um Offiziersanwärter bei der Königlichen Marine zu werden oder an einer Expedition der Royal Society teilzunehmen. Als Esmeralda mir den Posten des zweiten Maats anbot, packte ich die Gelegenheit beim Schopf. Und meine Degradierung habe ich einfach hingenommen. Warum? Weil wir etwas tun, was keiner vor uns getan hat. Wir bringen über fünfzehnhundert Unglückliche in ein jungfräuliches Land, wo sie sich, ohne in irgendeiner Weise darauf vorbereitet zu sein, ein neues Leben aufbauen sollen. Als würden wir sie von Hull nach Plymouth befördern. Es ist ein Wahnsinn, verstehen Sie? Der Gipfel der Torheit! Was tun wir, wenn wir in der Botany Bay feststellen, dass man dort gar nicht leben kann? Uns nach China retten? Unmöglich mit so vielen Menschen. Viel zu weit weg. Mr Pitt und die Admiralität haben unser Schicksal bedenkenlos in Gottes Hand gelegt, Richard. Ohne Vorbereitung, ohne Planung. Eigentlich hätten sie vor zwei Jahren eine Expedition vorausschicken müssen, um das Land einigermaßen urbar zu machen. Aber das ist nicht geschehen. Es hätte zu viel Geld gekostet und England von keinem einzigen Häftling befreit. Was zählt schon das Leben der Gefangenen? Dem Parlament ist es bestenfalls ein oder zwei Anfragen wert, mehr nicht. Aber selbst wenn wir zu Grunde gehen, Richard, diese Expedition wird Geschichte schreiben, und ich werde dabei sein. Dafür setze ich gern mein Leben aufs Spiel.« Er holte Luft und ließ ein Lächeln aufblitzen. »Außerdem öffnet sie
mir vielleicht die Tür zur Königlichen Marine. Wer weiß? Vielleicht befehlige ich eines Tages eine Fregatte.«
    »Ich würde es Ihnen wünschen«, sagte Richard aufrichtig.
    »Für Sie würde ich das alles aufgeben«, sagte Donovan schelmisch.
    Richard nahm die Bemerkung wörtlich. »Mr Donovan! Mittlerweile kenne ich Sie gut genug, um zu wissen, dass Ihre tiefsten Neigungen nicht fleischlicher Natur sind. Das ist doch wieder nur eine typisch irische Übertreibung!«
    »Ach, die fleischlichen Begierden!«, entgegnete Donovan ungeduldig. »Mit Verlaub, Richard, aber Sie sind ja schlimmer als ein papistischer Anhänger des Zölibats. Ist das eigentlich bei allen so, die aus Bristol kommen? Ich bin noch nie einem Mann begegnet, der wegen einer ganz natürlichen Sache so von Schuldgefühlen zerfressen wird. Seien Sie kein Narr! Ich rede von Freundschaft, Mensch, Freundschaft! Mit Frauen geht das nicht. Frauen werden klein gehalten. Wenn sie arm sind, müssen sie sich abschinden, wenn sie reich sind, sticken, zeichnen und malen sie ein wenig, und außerdem sprechen sie Italienisch und schikanieren die Dienerschaft. Ein gutes Gespräch ist mit einer Frau nicht möglich. Obwohl in diesem Punkt auch die meisten Männer zu wünschen übrig lassen.« Donovan versuchte, eine heitere Miene aufzusetzen. »Im Übrigen bin ich kein richtiger Ire. Als Nordire habe ich viel Wikingerblut in den Adern. Wahrscheinlich fahre ich deshalb so gern zur See und besuche gern fremde Länder. Der Ire in mir ist ein Träumer. Der Wikinger muss die Träume verwirklichen.«
    Kapstadt bot allerdings wenig Anlass zum Träumen. Die

Weitere Kostenlose Bücher