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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Meer. Richard hoffte, mit allen durch zu sein, ehe ihre Wirkung nachließ.
    Auf der Suche nach einer starken Strömung, die sie von Brasilien nach Afrika tragen konnte, segelten sie weiter nach Süden. Bald sichteten sie die ersten Pottwale, die ebenfalls südwärts wanderten. Riesige Geschöpfe, deren Schnauzen von der Seite wie kleine Klippen aussahen, unter denen ein lächerlich kleiner Unterkiefer mit Furcht einflößenden Zähnen saß. Die Pottwale hatten stumpfere Schwänze und kleinere Flossen als die Wale, die sie bisher gesehen hatten, und sie waren nicht so wendig. Tümmler, Delfine und Haie gab es hier jede Menge, doch essbare Fische waren schwer zu fangen, weil die Schiffe so schnell fuhren. Manchmal gerieten sie in einen Fischschwarm, der ihnen eine Fischsuppe bescherte, doch meist gab es nur Pökelfleisch und Hartbrot, das von Maden wimmelte. Niemand hatte großen Appetit. Doch die Sträflinge hatten einen großen Sack voll Orangen- und Zitronenschalen getrocknet und kauten jeden Tag ein kleines Stück.
    Je weiter nach Süden sie kamen, desto häufiger sahen sie riesige Seevögel, so genannte Albatrosse. Eines Tages griff ein Seesoldat zur Muskete, weil es ihn nach gebratenem Albatross gelüstete. Doch die Matrosen fielen ihm entsetzt in den Arm. Es bringe Unglück, wenn man einen dieser Könige der Lüfte töte.
    Die neue Krankheit brach zuerst unter den Seesoldaten aus, griff aber wenig später auch auf die Gefangenen über. Die Krankenpritschen
waren wieder voll belegt, ein Gefangener starb mitten in einem schweren Unwetter. Bordarzt Balmain ging nun, da es angenehmer roch, eifriger seinen Pflichten nach. Wann immer das Wetter es erlaubte, ließ er das Deck ausschwefeln, schrubben und tünchen, obwohl die Prozedur offenkundig keinen praktischen Nutzen hatte außer den, dass sie Richard, Bill, Will, Neddy und anderen mehr Licht zum Lesen bescherte. Im Übrigen bewies Captain Sinclair bei Stürmen, dass er beileibe kein schlechter Seemann war. Bei günstigem Wind ließ er sofort mehr Segel setzen, und wenn der Wind wenige Minuten später zu stark wurde, ließ er die Segelfläche wieder verkleinern. Segel setzen, Segel reffen, Segel setzen, Segel reffen… Kein Wunder, dass John Power, Willy Dring und Joe Robinson sich kaum noch im Gefängnis blicken ließen. Die Maate brauchten jeden Mann, den sie kriegen konnten. Nichts war schlimmer als ein unterbesetztes Schiff, auf dem die Mannschaft zwischen den Wachen nicht genügend Zeit zum Ausruhen hatte.
    Ende September ließen die Äquatorialstürme etwas nach, die See wurde ruhiger und die Gefangenen durften wieder an Deck. Die Alexander segelte bei jedem Wetter prächtig, und zu keinem Zeitpunkt kamen so schwere Seen über, dass die Luken verschalkt werden mussten. Seit Portsmouth war dies erst einmal der Fall gewesen.
    Von Zeit zu Zeit, wenn es an Deck weniger zu tun gab, kehrte John Power ebenso begeistert wie erschöpft ins Gefängnis zurück, und mit ihm Willy Dring und Joe Robinson, die im Gegensatz zu ihm allerdings gereizt und nervös wirkten. Sie statteten der Clique um John Power am Bugschot nie einen Besuch ab, und das wunderte Richard, denn er hatte erwartet, dass sie sich bei der Arbeit mit Power anfreunden würden. Stattdessen wirkten sie irgendwie befangen, wenn sie ihn sahen.
    Die Tage vergingen so gleichförmig wie die Wochen zuvor. Die Sträflinge unternahmen Ausflüge aufs Oberdeck, um zu fischen oder Tiere zu streicheln, sie lasen, sangen, würfelten oder spielten Karten und hatten wie immer Hunger. Alle magerten wieder ab, was bei der ungenießbaren Kost kein Wunder war, und die wenigen
Pfunde, die sie in Rio zugelegt hatten, schmolzen rasch dahin. Auf der Backbordseite am Achterschott bemerkte niemand die Veränderung, das Umschlagen der Stimmung, die Tuscheleien. Richard fiel nur auf, dass Willy Dring und Joe Robinson sich in ihren Kojen verkrochen und ständig zu schlafen oder zu dösen schienen. Doch obwohl er es eigenartig fand, maß er dem keine Bedeutung bei. Immerhin mussten die beiden seit zwei Wochen schwer schuften.
    Dann, am 6. Oktober, als Afrika nicht mehr fern war, kamen zehn Seesoldaten ins Gefängnis herunter und arretierten John Power. Er leistete Widerstand, wurde niedergeschlagen und unter den erstaunten Blicken der Sträflinge durch die hintere Luke nach oben geschafft.
     
    Minuten später kamen die Seesoldaten zurück und holten William Pane und John Meynell, die beiden Männer aus Nottingham, die neben Powers

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