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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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einen Sträfling sogar für den Teufel Partei ergriffen. Die Gefangenen verkörperten in seinen Augen eine noch niedrigere Lebensform als die Eingeborenen. In den ersten Monaten in Sydney Cove verfestigten sich Denkweisen, die bis weit in die Zukunft fortbestehen sollten.
    Die Lage von Richard und seinen Männern war, vom ständigen Hunger einmal abgesehen, erträglich. Die Männer hatten sich mit Lizzies Anwesenheit abgefunden. Der Einzige, den sie nicht für sich einnehmen konnte, war Taffy Edmunds. Seine frauenfeindlichen Neigungen verstärkten sich sogar noch. Taffy wollte nicht, dass man ihn bemutterte oder sich seinetwegen Umstände machte. Er wusch und flickte seine Kleider selbst und taute nur an Sonntagabenden auf, wenn die Männer draußen neben dem brachliegenden Gemüsegarten ein Feuer anzündeten und er die Gegenstimme zu Richards Bariton singen konnte.
    Richard und Lizzie hatten einen kleinen, an das Hauptgebäude angebauten Raum für sich. Sie schliefen jedoch auch bei kältestem Wetter getrennt. Lizzie wäre in manch schlafloser Nacht gern zu Richard ins Bett gekrochen, doch fürchtete sie sich zu sehr vor einer Zurückweisung und zog es deshalb vor, Richards Liebe nicht auf die Probe zu stellen.

    Major Ross ließ Richard in sein aus Palmenstämmen erbautes Haus kommen. Man war dabei, ihm in aller Eile ein Steinhaus zu errichten, da seine Unterkunft einem Vizegouverneur nicht angemessen war. Sein neunjähriger Sohn John war inzwischen von Bord der Sirius gegangen und lebte nun bei ihm. Die Mutter des Kindes und die jüngeren Geschwister waren in England geblieben.
    Der Major war in bester Stimmung und strahlte über das ganze Gesicht.
    »Ah, Morgan!«, sagte er. »Nehmen Sie das - die Kiste gehört Ihnen. Sie tauchte auf wundersame Weise im Frachtraum der Alexander auf. Aber sehen Sie am besten erst nach, ob etwas fehlt.«
    Auf einem Schemel stand Richards große Werkzeugkiste. Nur die Tücher, in die sie eingewickelt gewesen war, fehlten. Zum Glück trug sie das Messingschild mit Richards Namen, sonst hätte niemand gewusst, wem sie gehörte. Die Schlösser waren aufgebrochen. Richard schluckte. Als er die Kiste jedoch öffnete und die Einsätze herausnahm, stellte er fest, dass nichts fehlte.
    »Donnerwetter!«, rief der Major. »Sie sind gar kein Sägenschleifer, sondern ein Büchsenmacher.«
    Alles war an seinem Platz. Senhor Tomas Habitas musste die Kiste persönlich gepackt haben. Sie enthielt ganze Steinschlösser, Teile von Steinschlössern, Schrauben, Stifte, Bolzen, Sprungfedern, verschiedene Flüssigkeiten - Walfischtran! - und Spezialbürsten. Nichts war herausgenommen worden oder zerbrochen. Alles war so gut mit Lint gepolstert, dass nicht einmal eine Wanze hätte hineinkriechen können. Mit diesen Utensilien konnte er, wenn er von jemandem einen Schaft, einen Lauf und einen Verschluss bekam, eine Schusswaffe herstellen.
    »Ich bin Büchsenmachermeister«, gestand Richard. »Doch bin ich auch ein richtiger Sägenschleifer, Sir. Mein Bruder in Bristol betreibt ein Sägewerk, und ich habe ihm immer die Sägen gerichtet.«
    »Sie haben nie davon erzählt, dass Sie Büchsenmacher sind.«
    »Als Sträfling wollte ich nicht an die große Glocke hängen, dass ich mit Waffen umgehen kann, Major Ross. Man hätte es falsch deuten können.«
    »Aber das ist doch hervorragend!«, rief der Major begeistert. »Sie
können sämtliche Musketen, Pistolen und Vogelflinten in diesem Lager in Stand setzen. Ich lasse sofort einen Schießstand bauen. Da hier so viele Kinder herumlaufen, ist es nicht ratsam, auf Flaschen zu schießen. Macht Ihr Sägenschleiferlehrling Fortschritte?«
    »Er schleift die Sägen schon genauso gut wie ich, Sir.«
    »Dann kümmern Sie sich um die Waffen.«
    »Dazu brauche ich eine Werkbank in genau der richtigen Höhe, einen Hocker und einen schattigen, aber hellen Platz, Major Ross.«
    »Sie sollen alles haben, was Sie brauchen. Am schlimmsten ist der Rost, Morgan, der Rost! Die Waffen sind alle total verrostet. Die Hälfte der Musketen zünden nicht oder es verpufft nur das Pulver auf den Pfannen der Steinschlösser.«
    »Ich kann Ihnen gar nicht genug danken, dass Sie mir die Kiste beschafft haben, Sir«, sagte Richard. Am liebsten hätte er dem Major die Hand geschüttelt.
    Major Ross schlug sich mit der Hand an die Stirn. »Moment mal! Fast hätte ich noch etwas vergessen.« Er wühlte in dem ungeordneten Haufen von Gegenständen, die aus seinem vom Blitz zerstörten Zelt

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