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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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gemeinschaftlichen Feuer vor dem Zelt gegessen hatten, saßen nun spärlich bekleidet
auf ihren Betten. Lizzie lag dösend auf ihrem Bett. Davor stand natürlich die Hutschachtel.
    Absolute Stille trat ein. Neunzehn Augenpaare richteten sich verlangend auf Richard, der über die Hindernisse auf dem Boden zu Lizzies Bett stieg.
    »Schläfst du schon, Lizzie?«, fragte er lächelnd.
    Lizzie schlug die Augen auf und starrte ungläubig zu dem vertrauten Gesicht hinauf. » Richard! Richard, Schätzchen!« Sie sprang aus dem Bett und klammerte sich heftig weinend an ihn.
    »Keine Tränen, Lizzie«, sagte er leise, als sie sich etwas beruhigt hatte. »Lass uns draußen reden.«
    Er fasste sie um die Taille und führte sie unter den Blicken der anderen Frauen hinaus.
    »Die Hälfte deines Glücks würde mir reichen, Lizzie«, sagte eine nicht mehr junge Frau.
    »Mir ein Viertel davon«, rief ihre hochschwangere Nachbarin.
    Richard und Lizzie gingen zum Ufer der Bucht, in die Nähe des provisorischen Backhauses. Lizzie klammerte sich an Richards Hand, als hinge ihr Leben davon ab. Sie setzten sich auf einen Haufen von Sandsteinblöcken.
    »Wie erging es dir nach unserer Trennung?«, fragte Richard.
    »Ich war noch lange in Gloucester, und dann kam ich nach London.« Lizzie zitterte, denn es wurde kühl und sie trug nur ein dünnes Kleid, das ihr schlaff um den Leib hing.
    Richard zog seine Segeltuchjacke aus und legte sie ihr um die spitzen Schultern. Er betrachtete sie eingehend. Wie alt war sie eigentlich? Zweiunddreißig? Sie sah mehr wie zweiundvierzig aus, doch ihre schwarzen Augen blitzten noch immer. Auch als sie die Arme um ihn geschlungen hatte, hatte er weder Liebe noch Leidenschaft verspürt. Er mochte sie und hatte Mitleid mit ihr, aber nicht mehr. »Erzähl mir alles«, bat er.
    »Ich war zum Glück nicht lange in London - das Gefängnis dort ist die reinste Hölle. Wir kamen auf die Lady Penrhyn , wo es weder männliche Sträflinge noch Seesoldaten gab. Dort waren wir ähnlich wie hier im Zelt zusammengepfercht. Einige Frauen hatten Kinder, andere waren schwanger und brachten ihre Kinder auf
See zur Welt. Die meisten Säuglinge starben, weil ihre Mütter sie nicht stillen konnten. Auch der Sohn meiner Freundin Ann ist gestorben. Einige verloren unterwegs ihre Unschuld und sind jetzt schwanger.«
    Lizzie schüttelte Richards Arm wütend. »Kannst du dir das vorstellen, Richard? Man hat uns nicht einmal Lumpen für unsere Monatsblutung gegeben. Wir mussten unsere Kleider zerreißen. Wenn wir den Matrosen Hemden klauten, um sie als Lumpen zu verwenden, schlugen sie uns oder schoren uns die Köpfe kahl. Wer frech war, wurde geknebelt. Die härteste Strafe war, nackt in ein Fass gesteckt zu werden, aus dem nur Kopf, Arme und Beine herausragten.«
    Lizzie zitterte trotz des Mantels. »Aber das war noch nicht das Schlimmste!«, stieß sie mit zusammengebissenen Zähnen hervor. »Die Männer auf der Lady Penrhyn behandelten uns wie Huren - egal ob wir welche waren oder nicht, und die meisten von uns waren keine. Für sie hatten wir nichts anderes zu bieten als unsere Möse.«
    »So denken viele Männer«, sagte Richard mit gepresster Stimme.
    »Sie demütigten uns zutiefst. Bei unserer Ankunft bekamen wir einen löchrigen Fetzen zum Anziehen und unsere eigenen Kleider, sofern wir welche hatten. Ich bekam meine Hutschachtel. Ist das nicht ein Wunder?« Ihre Augen leuchteten.
    »Waren die Männer auch hinter dir her, Lizzie?«
    »Ach wo! Ich bin nicht hübsch und nicht jung genug, und ich nehme zuerst da ab, wo ich sowieso nicht viel habe - an den Brüsten. Die Männer waren hinter den vollbusigen Mädchen her, und es gab ja auch nicht viele Männer, nur die Matrosen. Ich war meistens allein, nur mit Ann habe ich mich ein bisschen angefreundet. Sie hat ihr Bett neben meinem.«
    Es wurde dunkel. Zeit zu gehen. Warum nur hatte dies geschehen müssen?
    Das arme Ding! Nicht jung und hübsch genug, um Blicke auf sich zu ziehen, nicht einmal von Matrosen, die jede Menge andere Frauen zur Auswahl hatten. Und was für ein Schicksal erwartete Lizzie in Port Jackson, wo alles gleich war wie auf der Lady Penrhyn
, nur dass man hier festen Boden unter den Füßen hatte? Richard empfand keine Liebe für sie, aber er konnte ihr wenigstens helfen. Er wusste nicht, ob richtig war, was er vorhatte, er wusste nur, dass er ihr etwas schuldig war. Sie hatte sich in Gloucester um ihn gekümmert.
    »Lizzie«, sagte er, »sollen wir unser in

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