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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Gloucester getroffenes Arrangement fortsetzen? Ich beschütze dich, und du kümmerst dich dafür um mich und meine Männer?«
    »Au ja!«, rief sie, und ihre Miene hellte sich auf.
    »Aber dazu müsstest du mich heiraten, anders ist es nicht erlaubt.«
    Lizzie zögerte. »Liebst du mich denn, Richard?«
    Er zögerte ebenfalls. »Auf eine gewisse Weise ja«, antwortete er langsam, »auf eine gewisse Weise. Wenn du aber so geliebt werden willst, wie ein Mann die Frau seines Herzens liebt, darfst du mich nicht nehmen.«
    Sie hatte immer gewusst, dass Richard sie nicht begehrte. Wenigstens war er ehrlich. Nach der Ankunft hatte sie unter den Männern, die sich im Frauenlager drängten, vergeblich nach ihm Ausschau gehalten. Sie hatte sich umgehört, ob eine Frau sich rühmte, mit Richard Morgan zu schlafen, doch ohne Ergebnis. Daraus hatte sie geschlossen, dass Richard gar nicht in die Botany Bay gebracht worden war. Jetzt saß er neben ihr und machte ausgerechnet ihr einen Heiratsantrag. Nicht weil er sie liebte oder begehrte, sondern weil er ihre Dienste benötigte. Hatte er Mitleid mit ihr? Nein, das wäre unerträglich! Er benötigte ihre Dienste. Damit konnte sie leben.
    »Ich heirate dich«, sagte sie, »unter einer Bedingung.«
    »Sag mir, welche.«
    »Dass niemand erfährt, was wirklich zwischen uns ist. Wir sind hier nicht im Gefängnis von Gloucester, und deine Männer sollen nicht denken, dass mir - dass mir - etwas fehlt.«
     
    Am 30. März 1788 heiratete Richard Morgan Elizabeth Lock. Ein freudestrahlender Bill Whiting war sein Trauzeuge, Ann Colpitts war Lizzies Trauzeugin.

    Richard unterschrieb die Heiratsurkunde des Kaplans und stellte dabei erschrocken fest, dass er das Schreiben fast verlernt hatte. Reverend Johnsons Miene verriet deutlich, was er von der Ehe hielt: Richard heiratete unter seinem Stand. Lizzie trug die Kleider, die sie seit ihrem ersten Tag im Gefängnis von Gloucester nicht mehr getragen hatte: ein weites, schwarz-rot gestreiftes Kleid, eine rote Federboa, hochhackige schwarze Samtschuhe, die mit Strassen versehene Schnallen besaßen, weiße Strümpfe mit schwarzen Stickereien, ein rotes Retikül mit Spitzenborte und natürlich Mr Thistlethwaites atemberaubenden Hut. Sie sah aus wie eine Hure, die sich Respekt verschaffen wollte.
     
    Im Mai entdeckte der Gouverneur fünfzehn Meilen westlich im Landesinneren eine einigermaßen fruchtbare Gegend und beschloss, einen Teil der Sträflinge dorthin zu verlegen. Der Berg Rose Hill, benannt nach Sir George Rose, überragte das Gebiet. Die Sträflinge sollten es vollständig roden und den Boden für den Anbau von Weizen und Mais vorbereiten. Gerste wollte der Gouverneur weiterhin auf den Feldern in Sydney Cove anbauen. Die Sägegruben produzierten nur kleine Mengen an Balken und Brettern, doch wich man stattdessen auf Palmenstämme aus. Das Holz der runden, ziemlich geraden Stämme war zwar schlecht und verrottete schnell, man konnte es jedoch gut zusägen und Ritzen zwischen den Brettern mit Schlamm füllen. Deshalb verwendete man für die immer zahlreicher entstehenden Gebäude zumeist Palmenstämme. Die Dächer deckte man mit Palmwedeln oder Binsen. Aus dem Holz des Keulenbaums stellte man Schindeln her. Man ließ sie trocknen und verwendete sie für Gebäude, die länger halten sollten, wie das Haus des Gouverneurs.
    Die Ziegel für die ersten Mauern hatte man noch mitgebracht, und ganz in der Nähe gab es hervorragend geeigneten Ziegelton. Die Herstellung von Ziegeln ging so schnell vonstatten, wie die dürftigen zwölf Hohlformen, die man mit auf die Reise genommen hatte, es zuließen. Das Bauen mit Ziegelsteinen oder dem wunderbaren gelben Sandstein der Region gestaltete sich jedoch schwierig. Denn nirgends hatte man auch nur eine Spur von Kalkstein
entdeckt. Nirgends! Lächerlich! Kalkstein war doch wie Erde - es gab überall so viel davon, dass in London niemand einen Gedanken daran verschwendet hatte. Aber wie sollte man ohne Kalkstein Mörtel anrühren, um die Ziegel oder Sandsteinblöcke miteinander zu verbinden?
    Also musste man die Beiboote der Schiffe aussenden und an den Stränden und Felsbänken von Port Jackson leere Austernschalen einsammeln. Die Eingeborenen hatten eine besondere Vorliebe für Austern und häuften deren Schalen zu kleinen Bergen auf. Die Austernschalen wurden verbrannt, um Kalk für Mörtel herzustellen. Man brauchte etwa 30 000 Schalen, um Mörtel für 5000 Ziegelsteine zu bekommen - die für ein kleines

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