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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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wüsste gern, ob ich beim Sägen ein so scharfes Auge habe wie beim Schleifen. Außerdem ist die Arbeit des unteren Mannes etwas leichter. Leider können Sie
keinen Hut tragen, dazu stehen Sie zu nahe an der Säge. Aber ich sage Ihnen, wann ich anfange zu ziehen, dann können Sie nach unten sehen.«
    Richard bewies auch beim Sägen ein gutes Auge; Wigfall leider nicht, doch war er dennoch ein guter Partner, der die Säge kraftvoll nach unten ziehen konnte. Das Sägen war anstrengend. In Port Jackson wäre er zu dieser Arbeit nicht fähig gewesen, dachte Richard. Dort war das Essen viel zu knapp und zu schlecht, aber hier, wo es außer Pökelfleisch noch Fisch, ab und zu Schildkröte und jede Menge Gemüse gab, von dem besseren Brot ganz zu schweigen, hier konnte er sägen, ohne dabei über die Maßen abzunehmen. Er war mit seinen vierzig Jahren in einer besseren körperlichen Verfassung als der erst dreißigjährige Leutnant King.
    An Weihnachten, einem dunklen, windigen Tag, schlachtete der Kommandant für seine Sträflingsfamilie ein großes Mastschwein. Es wurde am Spieß über einem Feuer aus glühenden Kohlen gebraten, bis seine Haut knusprige Blasen warf. Jede Frau und jeder Mann erhielt eine doppelte Portion Fleisch und dazu einige Kartoffeln und ein halbes Pint Rum. Es war Richards erster Braten seit seiner Verhaftung, und er schmeckte köstlich! Lieber Gott, ich bin dir ja so dankbar, betete er in jener Nacht, als er in sein Bett aus Federn sank. Man weiß die einfachen Genüsse des Lebens erst dann wirklich zu schätzen, wenn man sie lange genug entbehrt hat.
     
    Am Neujahrsmorgen 1789 ging die Sonne strahlend an einem wolkenlosen Himmel auf. Die Sträflinge bekamen ein Viertelpint Rum und hatten den halben Tag frei. Zur Freude Kings nahmen die Arbeiten dank der Umsicht seiner Aufseher wie von allein ihren Gang, sodass er sich auf Routinekontrollen beschränken konnte.
    King war überglücklich, als Ann Innet ihm am 8. Januar 1789 einen gesunden Sohn gebar. Da er als Einziger auf der Insel Gottesdienste abhielt, taufte er seinen Sohn selbst - auf den Namen »Norfolk«.
    »Ein schöner Name, Norfolk King«, sagte Stephen am Strand der Turtle Bay zu Richard. »Ich freue mich für den Leutnant. Jemand wie er braucht eine Familie. Es wird seiner Karriere bei der
Marine zwar nicht gerade förderlich sein, wenn er Ann Innet heiratet, aber er liebt seinen Sohn abgöttisch. Er wird es schwer haben, wenn er nach England zurück muss. Was soll er dort mit einem unehelichen Sohn, ganz zu schweigen von dessen Mutter, die er auch sehr gern hat?«
    »Er wird eine Lösung finden«, erwiderte Richard ruhig. »Er ist zwar ein launischer Kommandant, aber auch ein Ehrenmann mit Verantwortungsgefühl. Gewisse Dinge liegen ihm einfach nicht und er hat ein hitziges Temperament. Mary Gamble hat es zu spüren bekommen.«
    Mary Gamble hatte eine Axt nach einem Eber geworfen und ihn schwer verletzt. King hatte sich dermaßen darüber aufgeregt, dass sie das wertvolle Tier beinahe getötet hätte, dass er ihr nicht zuhören wollte, als sie ihm aufgeregt zu erklären versuchte, das Tier habe sie angegriffen und sie habe aus Notwehr gehandelt. In seinem Zorn wollte er sie mit zwölf Dutzend Peitschenhieben auf den nackten Hintern bestrafen. Als er sich wieder beruhigt hatte, war er freilich bestürzt - diese wackere Frau sollte vor Männern wie Dyer den Unterkörper entblößen und volle 144 Hiebe erhalten, wenn auch mit der harmlosesten Peitsche aus seinem Sortiment? Großer Gott! Unmöglich! Womöglich hatte der Eber sie tatsächlich angegriffen. Kein männlicher Sträfling hatte bisher auch nur halb so viele Peitschenhiebe erhalten! Also bestellte er Mary Gamble zu sich und verkündete, dass er ihr großmütig vergebe.
    Einige Sträflinge hielten ihn deswegen für dumm, weichherzig und schwach und beschlossen, bereits bestehende Pläne für eine Revolte nun endlich in die Tat umzusetzen.
    Robert Webb, der Gärtner, eilte zum Kommandanten, um ihn zu warnen. »Sir, gegen Sie ist eine Verschwörung in Gang.«
    »Eine Verschwörung?«, fragte King verblüfft.
    »Ja, Sir. Eine Gruppe von Sträflingen will Sie, Mr Donovan, die anderen Freien und alle Seesoldaten gefangen nehmen. Dann wollen sie das nächste Schiff, das kommt, in ihre Gewalt bringen und damit nach Tahiti fahren.«
    Das gebräunte Gesicht des Kommandanten wurde weiß und er
starrte Webb ungläubig an. »Du lieber Himmel! Wer sind die Verschwörer denn, Robert?«
    »Nach

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