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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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schlang hastig ein kaltes Mittagessen hinunter und arbeitete dann am Schweinestall weiter, der rasch Gestalt annahm. Der Stall war etwa zwanzig auf zwanzig Fuß groß und bestand aus Holzpfählen, die Richard auf das Steinfundament setzte.
    »Schweine wühlen gern«, erklärte er ihr. »Mit einem einfachen Zaun wie bei Schafen oder Rindern ist es deshalb nicht getan. Außerdem brauchen sie Schatten, denn in der prallen Sonne gehen sie ein. Ihre Exkremente stinken, aber Schweine sind saubere Tiere und machen ihr Geschäft immer in dieselbe Ecke. Ein guter Dung, der sich leicht einsammeln lässt.«
    »Muss ich den Stall ausmisten?«, fragte Kitty.
    »Ja.« Er sah auf und grinste sie an. »Du wirst noch froh sein, dass du hier baden kannst.«
    Am Abend kam er nicht nach Hause. Mit ihrer Lebensmittelzuteilung könne sie tun, was ihr beliebe, hatte er gesagt. Er sei es gewohnt, selbst für sich zu sorgen, und er esse hin und wieder bei Stephen, der ein eingefleischter Junggeselle sei und keine Frauen in seinem Haus wünsche. Nach dem Essen spiele er mit ihm Schach. Sie solle also nicht auf ihn warten und ins Bett gehen, wenn es dunkel werde.
    Kitty mochte naiv sein, aber das fand sie doch merkwürdig. Stephen kam ihr überhaupt nicht wie ein eingefleischter Junggeselle vor. Obwohl, wenn sie es recht bedachte, hatte sie eigentlich keine Ahnung, wie sich ein eingefleischter Junggeselle benahm. Sie wusste nur, dass Männer die Gesellschaft anderer Männer genossen und sich durch die Anwesenheit von Frauen gestört fühlten.
    Am Dienstag erschien ein Seesoldat und brachte sie nach Sydney Town, wo sie den Mann identifizieren sollte, der sie belästigt und ausgeraubt hatte. Richards Haus bot nur einen begrenzten Ausblick
auf die Umgebung, und so staunte Kitty auf dem Weg durch Arthur’s Vale nicht wenig, als sich eine weite Landschaft vor ihnen auftat. Im Grund des Tales und an den Hängen zu beiden Seiten wogten grüne Weizen- und Maisfelder, an deren Raine sich vereinzelte Häuser, Scheunen und Schuppen schmiegten. Dann, ganz plötzlich, endete das Tal, und sie betrat eine größere Siedlung mit sauberen, von Holzhäusern und Hütten gesäumten baumlosen Straßen, begrenzt durch einen leuchtend grünen Sumpf, hinter dem, am Fuß der Hügel, einige größere Gebäude aufragten. Sie kamen auch an Stephen Donovans Haus vorbei, doch Kitty erkannte es nicht wieder.
    Zwei Offiziere - Kitty konnte Seesoldaten von Landsoldaten nicht unterscheiden - erwarteten sie vor einem großen, zweistöckigen Gebäude, der Kaserne der Marineinfanterie, wie sie später erfuhr. Eine Gruppe männlicher Sträflinge stand in einer Reihe davor. Sie waren mit Hemden bekleidet, während die Offiziere vorschriftsgemäß Perücke, Säbel und Dreispitz trugen.
    »Miss Clark?«, fragte der ältere Offizier und durchbohrte sie mit seinen hellgrauen Augen.
    »Ja, Sir«, wisperte sie.
    »Sie wurden am dreizehnten August auf der Straße von Cascade von einem Mann angesprochen?«
    »Ja, Sir.«
    »Er versuchte, Ihnen Gewalt anzutun, und zerriss Ihr Kleid?«
    »Ja, Sir.«
    »Sie flüchteten in den Wald?«
    »Ja, Sir.«
    »Was tat der Mann dann?«
    Mit glühenden Wangen und großen Augen antwortete sie: »Zuerst hatte es den Anschein, als wollte er mich verfolgen, dann hörten wir Stimmen. Er packte mein Bündel und rannte davon.«
    »Sie verbrachten die Nacht im Wald, richtig?«
    »Ja, Sir.«
    Major Ross wandte sich an Leutnant Ralph Clark, der, seit er die Geschichte von Stephen Donovan gehört und sich von Richard Morgan hatte bestätigen lassen, darauf brannte, seine Namensvetterin kennen zu lernen, und nun mit Erleichterung feststellte,
dass sie keine Hure war. Kitty war ein ebenso unschuldiges Ding wie Miss Mary Branham, die, auf der Lady Penrhyn von einem Matrosen geschändet, in Port Jackson einen Jungen zur Welt gebracht hatte und anschließend mit der Sirius nach Norfolk Island geschickt worden war, um in der Offiziersmesse zu arbeiten. Dort war er auf sie aufmerksam geworden. Sie war anbetungswürdig schön, fast wie seine geliebte Betsy. Und nun, da er Betsy und den kleinen Ralphie wohlbehalten in England wusste und obendrein ein bequemes Haus ganz für sich allein hatte, überlegte er, ob er Mary nicht zu sich nehmen sollte. Bei ihm hätte sie gewiss weniger Arbeit als in der Offiziersmesse. Marys Sohn lernte jetzt laufen und fiel ihr ziemlich zur Last. Ja, er würde Mary einen großen Gefallen tun, wenn er sie zu sich holte. Natürlich würde er

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