Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
Vom Netzwerk:
zusammen, deshalb ging ich allein über die Felder spazieren. Das hätte ich wohl auch an Bettys Geburtstag getan, aber sie hat mich ausgelacht und ein Bauerntrampel genannt, weil ich noch nie in einem Geschäft war, also bin ich mitgegangen.«
    »Und dann? Bist du in einem Geschäft in Versuchung geraten?«
    »So muss es wohl gewesen sein«, antwortete Kitty unsicher. »Betty nahm eine Flasche Gin mit, und wir tranken im Gehen. Ich erinnere mich nicht mehr an die Geschäfte, oder dass ich in einem drin war - nur an Männer, die uns anbrüllten und einsperrten.«
    »Was hast du gestohlen?«
    »Musselin, hieß es vor Gericht, und in einem zweiten Geschäft kariertes Leinen. Ich weiß nicht, warum wir das gestohlen haben - die Kleider, die wir anhatten, waren aus dem gleichen Stoff. Zehn Meter Musselin im Wert von vier Shilling und sechs Pennys, meinte das Gericht, obwohl der Ladenbesitzer ständig brüllte, der Stoff sei drei Guineen wert. Wegen des Leinens wurde keine Anklage erhoben.«
    »Hast du öfter Gin getrunken?«
    »Nein, es war das erste Mal. Für Mary und Annie auch.« Kitty schauderte. »Ich trinke nie wieder Gin, so viel steht fest.«
    »Seid ihr alle verurteilt worden?«
    »Ja, zu sieben Jahren Deportation. Gleich nach der Verhandlung brachte man uns auf die Lady Juliana . Ich nehme an, dass auch die anderen hier irgendwo sind. Es ist nur so, dass ich ständig seekrank war. Die anderen konnten mich nicht mehr ertragen und haben deshalb nicht auf mich gewartet. Und auf der Surprize war es dunkel.«
    Richard stand abrupt auf, kam um den Tisch herum und legte Kitty die Hand auf die Schulter. »Ist schon in Ordnung, Kitty, wir sprechen nie wieder darüber. Nur die englische Gemeindefürsorge kann aus einer jungen Frau ein Kind machen, wie du es bist.«
    MacTavish, der zum Frühstück zwei Ratten verspeist hatte, kam ins Zimmer gesprungen. Richard tätschelte Kitty, dann den Hund und nahm wieder Platz. »Es wird Zeit, dass du erwachsen wirst, Catherine Clark. Nicht damit du deine Unschuld verlierst, sondern damit du sie behältst. Wie du weißt, gibt es hier keine
Landgüter oder Arbeitshäuser. In Port Jackson wärst du ins Frauenlager gekommen, aber Major Robert Ross, der Kommandant auf Norfolk Island, lehnt es ab, die Frauen abzusondern. Und aus gutem Grund. Das würde alles nur noch schlimmer machen. Jeder Mann, der ein Haus oder eine Hütte besitzt, soll eine Frau von der Surprize bei sich aufnehmen. Einige kommen allerdings auch zu Frauen wie Mrs Lucas, um ihnen im Haushalt zu helfen, andere sollen sich um das leibliche Wohl der Offiziere und Mannschaften kümmern, wieder andere werden den Leuten von der Sirius zugeteilt.«
    Kitty erbleichte. »Und ich gehöre Ihnen.«
    Richard lächelte beschwichtigend. »Ich bin kein Unhold, Kitty, und ich habe auch nicht die Absicht, dich mit Liebeswerbungen zu bedrängen. Ich will dich als Hausgehilfin behalten. Und ich werde so bald wie möglich ein Zimmer anbauen, damit jeder von uns ungestört sein kann. Dafür erwarte ich, dass du willig mitarbeitest. Ich baue gerade einen Stall für das Schwein, das ich von Major Ross bekommen werde, und es wird zu deinen Pflichten gehören, es zu versorgen. Außerdem kümmerst du dich um das Haus, die Hühner, wenn sie endlich da sind, und den Gemüsegarten. Ein Mann namens John Lawrell bestellt das Getreidefeld und nimmt dir die schweren Arbeiten ab. Die anderen Leute betrachten dich als mein Eigentum, mehr Schutz brauchst du nicht.«
    »Und ich darf mir nicht aussuchen, zu wem ich will?«, fragte sie.
    »Wenn du es könntest, zu wem wolltest du denn?«
    »Zu Stephen«, antwortete sie einfach.
    Seine Miene und sein Blick blieben unverändert, doch sie spürte, dass etwas in ihm vorging. In unverändertem Ton sagte er: »Unmöglich, Kitty. Schlag dir Stephen aus dem Kopf.«
     
    Noch am selben Tag bekam Richard ein eigenes Bett, das wie das von Kitty aus einem Holzgestell mit quer gespannten Seilen bestand. Kurz nach Einbruch der Dunkelheit schickte er Kitty schlafen, dann setzte er sich mit einer Kerze an den Tisch, legte ein Buch auf das Lesepult und begann zu lesen. Welches Verbrechen er auch
begangen haben mochte, dachte Kitty schläfrig, er hatte eine gute Erziehung genossen. Nicht einmal der Herr auf St. Paul Deptford hatte so feine Manieren.
     
    Am Montagmittag sah sie Richard nur kurz. Er war gleich nach Tagesanbruch zur Arbeit in die Sägegruben gegangen. Später kam er mit einem Paar Schuhe für sie nach Hause,

Weitere Kostenlose Bücher