Insel der Verlorenen Roman
Mann identifizieren müssen, der sie angegriffen hatte, und daher kaum Gelegenheit gehabt, sich umzusehen. Doch die bäuerliche Arbeit lag ihr im Blut. Für das Leben, das sie hier führen sollte, hätte Richard keine geeignetere Frau finden können.
Sie hatte schon viel von den Raupen gehört, und am 18. Oktober bekam sie sie erstmals zu Gesicht. Der Weizen auf Richards Acker stand hoch und gedieh prächtig, während die starken Seewinde auf den Feldern der Regierung weiter unten im Tal große Schäden anrichteten und einen beträchtlichen Teil der Ernte vernichteten. Es war ein trockenes Jahr, und nur den gelegentlichen Regengüssen in der Nacht war es zu verdanken, dass die Frucht nicht verdorrte. Vielleicht war die Trockenheit der Grund, warum die Raupen den Winter über ausgeblieben waren. Dann aber waren sie plötzlich da, hellgrüne gefräßige Tiere, etwa ein Zoll lang und dünn, und überzogen jede Pflanze mit einer wogenden grünen Decke. Doch das Glück blieb Richard treu, denn Kitty ekelte sich nicht vor Würmern und Käfern. Ohne Scheu zupfte sie die Schädlinge mit bloßer Hand ab, obgleich eine Lösung aus Tabak und Seife weitaus wirkungsvoller war. Alle weiblichen Inselbewohner bis auf jene, welche die Seesoldaten zu verwöhnen hatten, und die, die in den Sägegruben arbeiteten, wurden zum Einsammeln oder Sprühen abkommandiert. Innerhalb von drei Wochen waren die Raupen verschwunden und die Ernte gesichert.
Nach Major Ross’ neuester Verfügung durften die freien Männer alles, was sie ernteten, als ihr Eigentum betrachten, und so war Richard sehr darauf erpicht, Überschüsse an die staatlichen Vorratshäuser abzuführen und dafür weitere Schuldscheine zu kassieren.
Einige Frauen, die Kitty von der Lady Juliana kannte, waren Richards Freunden zugeteilt worden. Aaron Davis, der Bäcker, hatte Mary Walker und ihr Kind zu sich genommen, George Guest die achtzehnjährige Mary Bareman. Kitty kannte Mary sehr gut und mochte sie, obgleich sie ihr etwas wunderlich vorkam. Edward Risby und Ann Gibson waren glücklich vereint und wollten heiraten, sobald jemand auf die Insel kam, der befugt war, die Trauung vorzunehmen. Diese Frauen und Olivia Lucas besuchten Kitty nun - und wie herrlich war es, dass sie ihnen Tee mit Zucker anbieten konnte! Mary Bareman und Ann Gibson waren schwanger, und Mary Walker, deren Tochter Sarah Lee gerade laufen lernte, erwartete ihr erstes Kind von George Guest. Kitty Clark war die Einzige, die nicht in anderen Umständen war.
Richard befahl John Lawrell, einen Teil der Hühner und Enten an Kitty abzutreten, damit sie zu besonderen Anlässen Eierspeisen auftischen konnte. Die Sau Augusta warf zwölf Ferkel und quetschte nur vier von ihnen zu Tode, wobei sie umsichtigerweise alle sechs weiblichen verschonte. Die beiden männlichen Überlebenden wollte Richard an Weihnachten als Spanferkel braten. Über die Schweineproduktion konnten sie frei verfügen. Wollte ein erfolgreicher Züchter der Regierung ein Schwein verkaufen, so wurde er dafür bezahlt. Wollte er Fleisch einpökeln, erhielt er Salz und ein Fass. Major Ross verfolgte damit das erklärte Ziel, möglichst viele Sträflinge von den Zuteilungen der Regierung unabhängig zu machen. Und Männer wie Aaron Davis, Dick Phillimore, Nat Lucas, George Guest, John Mortimer, Ed Risby und Richard Morgan bewiesen, dass dem Vorhaben auf lange Sicht Erfolg beschieden sein könnte.
Der erste Weihnachtsfeiertag war ein schöner und klarer Tag, obwohl ein kräftiger Südwind blies und hohe Wellen in die Sydney Bay brandeten. Richard schlachtete die beiden Ferkel, Nat Lucas zwei Gänse, George Guest drei fette Enten, Ed Risby vier Hühner und Aaron Davis buk richtiges Weißbrot. Zusammen mit Stephen Donovan, Johnny Livingstone und D’arcy Wentworth und seiner Familie veranstalteten sie im Schatten der Tannen am Point Hunter ein Picknick. Damit sie die Ferkel und Vögel am Feuer braten konnten, hatte D’arcy in der Schmiede Spieße in Auftrag gegeben. Und damit niemand verdursten musste, hatten Stephen und Johnny zehn Flaschen Portwein beigesteuert, sodass auf jeden Mann und jede Frau ein halbes Pint kam.
Der Major hatte angeordnet, dass die Sträflinge zu Weihnachten nur Dünnbier erhalten sollten, und zudem den Seesoldaten befohlen, ihr halbes Pint Rum nicht im Beisein von Gefangenen zu trinken. King hatte an Festtagen stets Rum an die Sträflinge ausgeben lassen, doch Ross hatte beschlossen, mit dieser Tradition zu brechen,
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