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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Taille nicht so schmal, ihre Hüften nicht so breit wie die anderer Frauen waren.
    »Schließ die Augen und streck die Hände aus, Kitty.«
    Sie gehorchte und fühlte, wie er ihr einen kleinen viereckigen Gegenstand in die Hände legte. Sie öffnete die Augen wieder. Eine Schachtel. Mit zitternden Fingern hob sie den Deckel ab. Darunter lag ein goldenes Kettchen. »Richard!«
    »Frohe Weihnachten«, sagte er lächelnd.
    Sie flog ihm an den Hals, drückte ihm die Wange ans Gesicht und küsste ihn auf den Mund. Einen Augenblick lang stand er ganz still, dann fasste er sie an den Hüften und erwiderte ihren Kuss. Sie wich nicht zurück und erhob keinen Protest, sondern schmiegte sich an ihn und ließ ihn gewähren. Eine prickelnde Wärme durchströmte sie. Sie vergaß sich selbst und Stephen, bereit, diesem Mund zu folgen, wohin er sie auch führen mochte, nur noch zu dem einen Gedanken fähig, dass dieser erste richtige Kuss
in ihrem Leben etwas sehr Schönes und Aufregendes war - und Richard Morgan ein bei weitem interessanterer Mann, als sie bisher geahnt hatte.
    Richard ließ sie abrupt los und ging hinaus. Gleich darauf hörte sie ihn Holz hacken. Kitty stand da, noch ganz benommen, dann fiel ihr Stephen ein, und sie bekam ein schlechtes Gewissen. Wie konnte sie Gefallen daran finden, Richard zu küssen, wo sie doch Stephen liebte? Tränen traten ihr in die Augen. Sie lief in ihr Zimmer, sank auf die Bettkante und weinte leise.
    Sie hielt noch die Schachtel in der Hand. Als ihre Tränen versiegt waren, nahm sie die Kette heraus und legte sie sich um den Hals. Beim nächsten Bad würde sie im Teich ihr Spiegelbild betrachten. Wie lieb von ihm! Und warum wünschte sie sich insgeheim, Richard wäre geblieben?
     
    Am 6. Februar 1791 lief die Supply die Reede an und brachte einen Brief von Gouverneur Phillip mit, in dem er alle Personen von der Sirius aufforderte, an Bord zu gehen und mit ihr nach Port Jackson zu fahren. Allerdings verbunden mit dem Versprechen, dass alle, die sich auf Norfolk Island niederlassen wollten, dreißig Hektar Land erhalten und von der Supply bei nächster Gelegenheit zurückgebracht werden sollten. Captain John Hunters elfmonatiges Exil war vorüber, und keinen Tag zu früh. Er empfand eine große Abneigung gegen Norfolk Island, das ihn nie wieder verlassen und seinen beruflichen Werdegang nachhaltig beeinflussen sollte. Außerdem hasste er Major Robert Ross und jeden verwünschten Seesoldaten auf der Welt. Mit ihm verließ Johnny Livingstone die Insel.
    Die Supply hatte es eilig, nach Port Jackson zurückzukehren, und stach am 11. Februar in See. Bereits am 15. April ankerte sie wieder vor Norfolk Island, und eine Abteilung des Neusüdwales-Korps kam an Land, von London mit der Aufgabe betraut, das Experiment zu überwachen und die Seesoldaten abzulösen, damit sie nach England zurückkehren konnten, obgleich es jedem Seesoldaten nach Ablauf der dreijährigen Dienstzeit freigestellt war, auf die Heimkehr zu verzichten und stattdessen dem Neusüdwales-Korps
beizutreten. Von der alten Brigade blieben nur Major Ross, Oberleutnant Clark und Leutnant Faddy. Und natürlich Ross’ kleiner Sohn, Leutnant John Ross.
    Seltsamerweise brachte die Supply zwei weitere Ärzte mit: Thomas Jamison, der in Port Jackson Urlaub gemacht hatte, und James Callam von der Sirius . Da bereits D’arcy Wentworth und Denis Considen auf der Insel praktizierten, standen der Bevölkerung nun vier Ärzte zur Verfügung, obwohl sie um siebzig Personen geschrumpft war.
    »Daraus schließe ich«, sagte Major Ross grimmig zu Richard Morgan, »dass wir größeren Zuwachs bekommen, sobald die nächsten Sträflingstransporte aus England eintreffen. Seine Exzellenz hat überdies die Absicht durchblicken lassen, uns einige Wiederholungstäter zu schicken, die in Port Jackson immer wieder entfliehen, Eingeborene meucheln, abgelegene Siedlungen plündern und Frauen vergewaltigen. Er glaubt, dass man sie hier besser unter Kontrolle hat. Das zwingt mich, anstelle des alten Wachhauses ein stabileres Gefängnis zu bauen, und ich muss mich sputen. Niemand weiß, wann die nächsten Transporte eintreffen. Aber kommen werden sie auf jeden Fall. London will die Verbrecher möglichst schnell loswerden, anscheinend ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, ob sie hier überleben können. Also sägen Sie weiter, Morgan, so viel und so schnell Sie können, und schließen Sie mir ja keine Grube.«
    »Welchen Eindruck haben Sie von den Leuten

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