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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Was immer da draußen gerade vorgeht, es ist kein Aufruhr.« Er ging zur Tür. »Aber ich will nachsehen, was da im Gange ist.« Er trat hinaus. Die Gäste des Cooper’s Arms folgten ihm, darunter auch Richard und Jem Thistlethwaite, dessen Sattelpistolen noch in den Manteltaschen steckten.
    Menschen drängten sich auf der Straße und streckten neugierig die Hälse aus den Fenstern der Häuser. Weder das Straßenpflaster noch die Platten des neu angelegten Bürgersteigs auf beiden Seiten der Broad Street waren noch zu sehen. Die drei Männer ließen sich von der Menge auf die Kreuzung von Wine und Corn Street zuschieben. Nein, es handelte sich hier nicht um Aufrührer, sondern um vermögende und im Augenblick sehr zornige Gentlemen, die ohne Frauen und Kinder unterwegs waren.
    Auf der gegenüberliegenden Seite der Broad Street, in Richtung Geschäftszentrum und Börse, stand das White Lion Inn, das Hauptquartier der Steadfast Society. Die Steadfast Society war der Club der Torys, die Seiner Britannischen Majestät König Georg III. in blinder Treue folgten. Das Zentrum der Unruhe war das Amerikanische Kaffeehaus daneben. Über dem Eingang prangte ein Wirtshausschild mit der rotweiß gestreiften Flagge, die die meisten
amerikanischen Kolonisten benutzten, wenn die Fahne einer einzelnen Kolonie wie etwa Connecticut oder Virginia unpassend erschien. Das Schild mit seinen satten Farben hing an einem eisernen, mit Schnörkeln und vergoldeten Blättern verzierten Pfosten.
    Dick Morgan hatte sich auf die Zehen gestellt, doch vergeblich. »Ich glaube, vom ersten Stock des Cooper’s Arms sehen wir mehr als hier.«
    Sie kehrten also zurück, stiegen die baufällige Treppe am anderen Ende des Schanktisches hinauf und traten an die Flügelfenster im ersten Stock, der gefährlich weit über die darunter gelegene Broad Street hinausragte. Im Hinterzimmer derselben Etage weinte der kleine William Henry. Mutter und Großmutter beugten sich gurrend und gluckend über sein Bettchen. Der Tumult draußen auf der Straße war ihnen gleichgültig, solange William Henry so schrecklichen Kummer litt. Richard wollte sich den Frauen anschließen.
    »Richard, dein Sohn stirbt nicht in den nächsten Minuten«, rief Dick ihm hinterher. »Komm zurück und sieh dir das an, verdammt noch mal!«
    Widerwillig kehrte Richard zurück und lehnte sich aus dem offenen Fenster. Erstaunt hielt er den Atem an. »Yankees, Vater! Meine Güte, was machen sie mit den Dingern da?«
    Bei den »Dingern« handelte es sich um zwei mit Stroh ausgestopfte und mit Lumpen bekleidete Puppen, über und über mit noch rauchendem Pech beschmiert, auf das man Federn gestreut hatte. Auf den Köpfen saßen die Erkennungszeichen der Kolonisten - ihre abgrundtief unmodischen, aber sehr praktischen Hüte. Die Hüte wurden in kleinen Manufakturen in den nahe gelegenen Mendip Hills hergestellt und über Bristol in die Kolonien verschifft. Die Krempe war mit Nadeln aufgesteckt wie bei Dreispitzen üblich, die Ränder waren mit Borten gesäumt, um zu verhindern, dass der Filz ausfranste. Und was tat ein Yankee, sobald er einen neuen Hut gekauft hatte? Er zog die Hutnadeln heraus und bog die Krempe rundherum nach unten, sodass die niedrige, runde Krone aussah wie das Eigelb eines Spiegeleis! Dann brachte er üblicherweise noch ein Hutband an und steckte eine Adlerfeder hinein.
Manchmal steckte er die Krempe auch über einem Ohr hoch. Deshalb, so spotteten die Bristoler, musste ein hutloser Mann mit einem Sonnenbrand auf einem Ohr ein Yankee sein.
    Der Gestank nach brennenden Lumpen und brennenden Federn zog durch die Straße und fügte dem Geruchscocktail von Bristol eine neue Komponente hinzu.
    »Hallo!«, brüllte Jem Thistlethwaite. Er hatte ein stadtbekanntes Gesicht erspäht, das zu einem stadtbekannten, teuer gekleideten Herrn gehörte, der auf einem mit großen Fässern beladenen Pferdefuhrwerk stand. »Master Harford, was geht hier vor?«
    »Die Steadfast Society will John Hancock und John Adams hängen!«, rief der reiche Quäker.
    »Warum denn? Weil General Gage sich nach Concord geweigert hat, die beiden zu begnadigen?«
    »Ich weiß es nicht, Master Thistlethwaite.« Offenbar erschreckt von der Vorstellung, auch er könnte auf unschmeichelhafte Weise zum Gegenstand einer von Thistlethwaites Schmähschriften werden, stieg Joseph Harford von seinem Aussichtspunkt herunter und verschwand in der Menge.
    »Heuchler!«, schimpfte Mr Thistlethwaite leise.
    »Samuel Adams, nicht

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