Insel der Versuchung
gewünscht, ihr das schöne Gesicht zu zerkratzen.
Caro schüttelte den Kopf und schalt sich im Stillen. War das nicht genau das, was sie sich gewünscht hatte, Max von sich selbst abzulenken? Ihr eigenes, an Besessenheit grenzendes Verlangen für ihn zu zerstören?
Sie hatte ihn letzte Woche schrecklich vermisst, trotz ihres Entschlusses, das nicht zu tun. Und als sie ihn heute Nacht ge-sehen hatte, so gut aussehend in seinem schwarzen Rock aus feinstem Tuch, dem makellos weißen Halstuch und den hellen Seidenhosen, da hatte ihr Herz plötzlich wild in ihrer Brust zu klopfen begonnen. Sie war sich sicher, er hatte die Sehnsucht in ihrer Miene lesen können.
Genauso wie sie sich sicher war, dass er ihre bedauerliche Reaktion eben bemerkt hatte. Sie hatte nicht das Recht, solch wilde Eifersucht zu empfinden - und auch keine Zeit dafür.
Sie musste seine Warnung wegen Darnelle Newham ernst nehmen, denn die Geheimnisse der Wächter waren in Gefahr. Vielleicht führte Miss Newham nichts Schlimmes im Schilde, aber um Gewissheit zu haben, würde sie die anderen Wächter bitten, ein Auge auf die Geschwister zu halten.
Kaum war Caro der Gedanke gekommen, da entdeckte sie Miss Newham am anderen Ende des Saales. Die Dame schaute sich rasch, beinahe verstohlen um, ehe sie den Raum verließ.
Einen Augenblick saß Caro wie erstarrt. Dann, nach einem letzten sehnsüchtigen Blick zu Max, rief sie sich zur Ordnung und folgte ihr.
7. KAPITEL
Caros Herzschlag beschleunigte sich vor Ärger, als sie beobachtete, wie Darnelle Newham in Sir Gawains Arbeitszimmer schlich. Miss Newham war bei verschiedenen Gelegenheiten Gast auf der Burg gewesen und wusste sicherlich, wo der Baronet seine geschäftlichen Angelegenheiten erledigte. Wenn sie wirklich auf der Suche nach Geheimnissen war, dann war dies der beste Platz, um zu beginnen.
Vor der Tür stehen bleibend, überlegte Caro, ob sie sie jetzt schon unterbrechen sollte. Einerseits wäre das Wissen, wonach eine mögliche Spionin suchen würde, wertvoll für eine wirksame Gegenmaßnahme, andererseits würde sie so riskieren, dass Miss Newham an Informationen gelangte, die andere Wächter gefährdeten.
Geräuschlos öffnete Caro die Tür.
Tatsächlich stand die brünette Frau an Sir Gawains Schreibtisch und sah die Papiere durch, die darauf verstreut lagen.
„Kann ich Ihnen behilflich sein, Miss Newham?“ erkundigte Caro sich in unschuldigem Ton.
Darnelle erstarrte ... erholte sich aber rasch wieder. Sie legte die Papiere zurück, lächelte matt und nahm einen Federkiel. „Vielleicht, Miss Evers. Mir war nicht ganz wohl, so dass ich beschloss, den Erfrischungsraum aufzusuchen. Doch dann fiel mir ein, dass eine angesengte Feder genau das Stärkungsmittel wäre, was mir helfen würde. Aber leider konnte ich keine finden außer dieser hier, und ich bezweifle, dass Sir Gawain gerne sein Schreibgerät opfern würde. “
Eine erfinderische Ausrede, dachte Caro mit widerwilliger Bewunderung.
„Ich wäre entzückt, Ihnen den Raum für die Damen zu zeigen“, bot sie an. „Ich denke, Sie werden dort eine ausreichende Auswahl an Riechfläschchen und Federn vorfinden.“
„Danke“, sagte Miss Newham mit einer Sanftmut, die nur vorgetäuscht sein konnte.
Caro begleitete sie zu dem Schlafzimmer, das den weiblichen Gästen Vorbehalten war, und wartete, während Darnelle mit viel Theater eine Feder ansengte und den stechenden Geruch vorsichtig einatmete, bis sie glaubhaft versichern konnte, ihre Lebensgeister ausreichend wiederhergestellt zu haben.
Dann kehrten sie zusammen in den Ballsaal zurück und gingen zu John Yates. Mit einem strahlenden Lächeln berichtete Darnelle ihrem Verehrer, wie überaus hilfsbereit Miss Evers gewesen sei.
Eine Vorstellung, würdig einer der berühmteren Londoner Bühnen, dachte Caro trocken. Doch der Vorfall war in Wahrheit beunruhigend. Wenn Darnelle Newham eine Spionin war, dann durfte man sie nicht aus den Augen lassen.
Nach einer Weile entschuldigte Caro sich und schlenderte scheinbar ziellos durch den Saal, wobei sie immer wieder stehen blieb, um mit Freunden zu sprechen. Schließlich kam sie bei Alex Ryder an.
Sie nahm seinen Arm, tat so, als lachte und scherzte sie mit ihm, während sie zu dem Tisch mit den Erfrischungen gingen, doch in Wirklichkeit erzählte sie ihm, was geschehen war, und bat um seine Hilfe bei der Überwachung von Miss Newham.
„Wenn sie tatsächlich spioniert“, bemerkte Alex am Ende, „steckt ihr Bruder
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