Insel der Versuchung
höchstwahrscheinlich ebenfalls bis zum Hals darin.“
„Fraglos. Denkst du, wir sollten es Sir Gawain sagen?“ wollte Caro wissen.
„Ich sehe keinen Grund, ihn jetzt zu stören. Ich werde es ihm nach dem Ball erzählen. Inzwischen alarmiere ich alle anderen hier.“
Caro lächelte erleichtert. Innerhalb kürzester Zeit wären alle Wächter auf Kyrene unterrichtet.
„Yates muss verständigt werden“, fügte Ryder hinzu, und sein Ton wurde grimmig.
„Ich weiß“, pflichtete Caro ihm bedauernd bei. „Ich werde es tun. Die Nachricht wird niederschmetternd sein, da er sie so gern hat.“
Nachdem Ryder gegangen war, suchte Caro die Tanzfläche mit Blicken ab, unwillkürlich nach Max Ausschau haltend.
Er tanzte nun mit einer anderen Frau - Mrs. Julia Trant, die
Witwe, die sie für ihn in die engere Wahl gezogen hatte. Mrs. Trants Schönheit war so außergewöhnlich und vornehm wie die Señora Herreras, im Gegensatz zu dieser jedoch mit ihrem blassen Teint, fein geschnittenen Zügen und goldblondem Haar sowie himmelblauen Augen in vollkommen anderen Farben.
Erneut verspürte Caro den völlig widersinnigen Wunsch, der Rivalin etwas anzutun, während sie zusah, wie Max seine Partnerin über die Tanzfläche wirbelte. Er war offensichtlich ein ausgezeichneter Walzertänzer.
Es war nicht schwer gewesen, ihn zum Mittelpunkt des allgemeinen Interesses zu machen. Die weibliche Bevölkerung der gesamten Insel scharte sich um ihn, von seiner kraftvollen Männlichkeit angezogen. Selbst wenn er sich keine Mühe gab, war sein Charme unwiderstehlich.
Caro krampfte sich ihr Herz schmerzlich zusammen, als sie sah, wie er die schöne Blondine in seinen Armen anschaute. Sie überlegte, ob Max wohl eine Ahnung hatte, wie verheerend sein sinnliches Lächeln war.
Als Julia Trant jedoch betörend zurücklächelte, stieß Caro einen höchst undamenhaften Fluch aus.
Sie hatte gewusst, dass zwei so schöne Menschen sich zueinander hingezogen fühlen würden. Sie sollte sich darüber freuen, dass ihr Bemühen derart von Erfolg gekrönt war. Dennoch war es ein schlechter Trost, Max jetzt so zu sehen. Es tat einfach weh.
Julia war eine ehemalige Londoner Schauspielerin und kam dem auf Kyrene am nächsten, was gemeinhin als Halbweltdame bezeichnet wurde. Von der offenherzigen Art her zu schließen, mit der sie Max anschaute, wollte sie ihn liebend gerne in ihr Bett bitten. Zweifellos würde er bald schon dort landen, vielleicht sogar bereits heute Nacht.
Caro verspürte einen bohrenden Schmerz und wandte sich abrupt um. Mit solch weiblicher Vollkommenheit konnte sie nicht konkurrieren. Sie hatte nur wenig von dem Flair oder der Eleganz, die Männer wie Max zu bewundern schienen. Und sie gehörte auch nicht auf einen Ball. Ihr Kleid, obwohl ausgezeichnet gearbeitet, war seit fünf Saisons aus der Mode. Sie hatte auch nie viel Wert auf ihre Erscheinung gelegt, denn es gab wichtigere Sachen, die ihrer Aufmerksamkeit bedurften. Ich bin eine praktisch veranlagte, vernünftige Frau, rief Caro sich ins Gedächtnis, bar jeder Eitelkeit.
Warum also verspürte sie plötzlich dieses Verlangen, schön zu sein? Warum diesen leidenschaftlichen Wunsch, dass Max sie anschaute, wie er es in der Nacht in den Ruinen getan hatte? Warum wollte sie, dass er sie in den Armen hielt, wie er es mit Julia Trant tat? Warum war ihr so heiß, und warum fühlte sie sich so verdammt rastlos?
Entschlossen, diese albernen Gefühle zu überwinden, bewegte Caro sich unbemerkt von der Menge zu der Steintreppe am anderen Ende des Saales. Sie wollte nach draußen, um von den Wehrgängen der Burg aus die herrliche Aussicht zu genießen.
Vielleicht würde die kühle, friedliche Nacht ihre närrische Sehnsucht lindem.
„Ihre mangelnde Aufmerksamkeit ist kaum schmeichelhaft, mein Lieber“, murmelte Julia Trant mit einem nörgelnden Unterton in der Stimme.
Max zwang seinen Blick zu der Frau in seinen Armen zurück. So gut die Walzerschritte es erlaubten, hatte er Caro auf ihrem Weg durch den Saal beobachtet, statt sich auf seine Tanzpartnerin zu konzentrieren. Ein taktloser Fehler seinerseits.
„Miss Evers ist gewiss nett, aber offen gestanden kann ich nicht begreifen, warum die Herren so von ihr eingenommen sind“, beklagte Julia sich mit aufrichtiger Verwunderung. „Sie ist eigentlich nicht schön, und sie hat für eine Frau sehr merkwürdige Interessen.“
Max hätte ihr erklären können, warum Gentlemen Caro Evers mochten. Sie war eine der ihren, in ihre
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