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Insel des Sturms

Insel des Sturms

Titel: Insel des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberts Nora
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Forschungen ins Internet gehen zu können. Außerdem sollte sie sich in Chicago bei ihrer Familie melden. Und dann war das Dorf an der Reihe: wo sie einkaufen und ihre Bankgeschäfte tätigen konnte.
    Aber an diesem herrlichen Morgen mit einer Luft so samtig wie ein Kuss sowie einer frischen Brise, die den Rest der Müdigkeit aus ihren Gliedern vertrieb, ging sie einfach immer weiter und sog die Schönheit der Umgebung in sich auf – bis ihre Schuhe von der Nässe des Grases vollkommen durchweicht waren.
    Als gleite man in ein Gemälde, dachte sie erneut, ein Gemälde,
das durch das Rascheln der Blätter, das Zwitschern der Vögel, den Geruch von feuchten, wachsenden Pflanzen lebendig wurde.
    Als sie plötzlich ein zweites Haus entdeckte, traf sie der Anblick wie ein Schock. Es lag nahe der Straße hinter einer Hecke, und die vollkommen unterschiedlichen Fassaden der vier Wände erweckten den Eindruck, als hätte jemand achtlos verschiedene Bauteile fallen gelassen. Doch irgendwie hatte es funktioniert. Das Cottage bot eine absolut gelungene Mischung aus Stein und Holz, Vorsprüngen und Überhängen, halb verdeckt durch wild wuchernde Blumen. Hinter dem Garten lag eine kleine Hütte, durch deren offene Tür sich dem Blick ein Durcheinander von Maschinen und Werkzeugen bot.
    In der Einfahrt entdeckte Jude einen grau lackierten Wagen, der aussah, als wäre er bereits Jahre vor ihrer eigenen Geburt vom Fließband gekommen.
    Ein großer gelber Hund schlief mitten in der Sonne nicht weit vom Haus entfernt. Er lag auf dem Rücken und hatte die Pfoten in die Luft gestreckt, wie von einem Auto überrollt.
    Wohnte hier vielleicht die Familie O’Toole? Jude kam zu dem Schluss, dass dem so war, als eine Frau mit einem Korb voll nasser Wäsche den Garten betrat.
    Sie hatte leuchtend rotes Haar und die breiten Hüften sowie die kräftige Gestalt, die Judes Meinung nach zu einer Frau gehörten, die fünf Kinder ausgetragen und geboren hatte. Der Hund, o nein, die Hündin zeigte, dass sie lebte, indem sie sich auf die Seite rollte und zweimal mit dem Schwanz klopfte, als die Frau auf die Wäscheleine zuging.
    Dabei kam Jude der Gedanke, dass sie nie zuvor gesehen hatte, wie ein Mensch Wäsche aufhängte. So etwas würde nicht einmal den eifrigsten Hausfrauen in ganz Chicago jemals
einfallen. Es erschien ihr wie eine stupide, doch gleichzeitig seltsam beruhigende Tätigkeit. Die Frau nahm Klammern aus der Tasche ihrer Schürze, klemmte sie sich zwischen die Lippen, bückte sich nach einer Kissenhülle in dem Korb, schlug sie einmal energisch aus und machte sie an der Leine fest. Mit dem zweiten Stück Wäsche ging sie in genau derselben Weise vor.
    Faszinierend, dachte Jude.
    Scheinbar ohne Eile arbeitete sich die Frau an der Wäscheleine entlang, leerte, mit der gelben Hündin zur Gesellschaft, gemächlich ihren Korb, während das, was bereits hing, sich in der leichten Brise blähte.
    Ein weiterer Ausschnitt des Gemäldes. Jude hätte ihn mit Landfrau tituliert.
    Als sie damit fertig war, wandte sich die Lady der zweiten Leine zu, nahm dort die bereits trockenen Wäschestücke ab, faltete sie und schichtete nun diese sorgsam in den Korb ein.
    Dann klemmte sie ihn auf ihre Hüfte und kehrte, gefolgt von ihrer treuen Begleiterin, ins Haus zurück.
    Was für eine schöne Weise, den Morgen zu verbringen.
    Und abends, wenn alle heimkämen, würde es sicher im ganzen Haus nach etwas Wunderbarem duften, was in der Küche brutzelte. Nach irgendeinem Eintopf oder einem Braten mit Kartoffeln, der in seinem eigenen Saft schmorte. Die Familie säße um den mit herrlich zusammengewürfelten Schüsseln und Tellern beladenen Tisch; sie sprächen über ihren Tag, lachten miteinander und steckten heimlich dem unter dem Tisch hockenden, bettelnden gelben Vierbeiner kleine Happen zu.
    Große Familien, dachte Jude, waren sicherlich ein Segen.
    Natürlich konnten auch Kleinfamilien wie die ihre in Ordnung sein, dachte sie plötzlich voller Schuldgefühle. Als Einzelkind hatte man ganz sicher Vorteile und genoss die ungeteilte Aufmerksamkeit der Eltern.

    Vielleicht zu viel, murmelte eine verräterische Stimme ihr leise ins Ohr.
    Jude wischte diesen undankbaren Einwand beiseite und machte auf dem Absatz kehrt. Unverzüglich wollte sie zu ihrem Cottage zurückkehren und irgendetwas Sinnvolles beginnen.
    Sofort rief sie zu Hause an. Auf Grund der Zeitverschiebung erreichte sie ihre Eltern noch beim Frühstück, unterdrückte die wenig loyalen

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