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Insel des Sturms

Insel des Sturms

Titel: Insel des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberts Nora
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im
Kopf, ebenso wie die Bilder von dem weißen Vogel und dem schwarzen Wolf. Sie bezweifelte, dass sie beiden Figuren gerecht würde, aber versuchen wollte sie es doch.
    Sie griff nach den Tellern und nach einer Dose von ihr selbst gebackener Kekse. Bereit, sich auf den Weg zu machen, blickte sie sich suchend um und entdeckte Finn gerade rechtzeitig, um Zeuge zu werden, wie er sich unter den Küchentisch hockte und dort eine Pfütze machte. Natürlich hatte er nicht auf, sondern neben der von ihr bereitgelegten Zeitung Platz genommen, und Jude seufzte leise auf.
    »Du hättest wohl nicht noch eine Minute warten können, nein?« Als er alles andere als zerknirscht mit dem Schwanz klopfte, stellte sie lachend die Teller wieder fort, um das Malheur zu beseitigen.
    Da er an ihr hochhüpfte, ihr übers Gesicht leckte und spielerisch knurrte, während sie den Boden schrubbte, vergaß sie, ihn zu schelten; und weil sie, wenn sie ihn kraulte, ebenso glücklich war wie er, brachte sie zehn Minuten damit zu, ihn zu streicheln, sich mit ihm zu balgen und seinen Bauch zu kratzen, bis er selig winselte.
    Natürlich verwöhnte sie den Hund, gestand Jude sich ein. Aber es war auch völlig überraschend, dass so viel Liebe in ihrem Inneren steckte, und die musste sie einfach weitergeben.
    »Ich bin beinahe dreißig«, murmelte sie, während sie an Finns weichen Schlappohren zog. »Ich will ein Heim und eine Familie. Und zwar beides zusammen mit einem Mann, der mich über alle Maßen liebt.« Sie setzte den Hund auf ihren Schoß, worauf dieser zappelnd an ihrer Hand leckte. »Mit etwas Geringerem werde ich mich nicht noch einmal zufrieden geben. Ich kann mich nicht ein zweites Mal mit einem Bruchteil wahren Lebens begnügen, nur weil es so aussieht, als bekäme ich nichts Besseres. Also …«
    Zärtlich hob sie Finn hoch und sah ihm in die feuchten
Augen. »Müssen wir beide uns im Augenblick wohl miteinander begnügen, alter Freund!«
    Sie stand vom Boden auf, wandte sich zum Gehen, öffnete die Hintertür, und schon schoss er wie ein angelegter Pfeil davon. Es freute sie zu sehen, wie er loskugelte, obgleich sein erster Sprint in Richtung ihrer Blumenbeete ging. Und tatsächlich machte er, als sie ihn rief, gerade noch rechtzeitig, wenn auch schlitternd und sich überschlagend, Halt. Ganz bestimmt war es ein Fortschritt, dass er nur die erste Reihe des Leberbalsams platt gewalzt hatte.
    Finn flitzte vor ihr her, kam zu ihr zurückgerannt, raste im Kreis um sie herum und stürmte dann im Zickzack, seiner Nase folgend, wieder los. Sie stellte sich vor, wie er aussehen würde, wenn er erst mal groß wäre, ein großer, hübscher Hund mit einem langen, buschigen Schwanz, der mit Begeisterung die Hügel erforschte.
    Was, in Gottes Namen, würde sie mit ihm in Chicago anstellen?
    Sie schüttelte den Kopf und verdrängte diese Sorge. Es machte keinen Sinn, sich über etwas Gedanken zu machen, was ihr nur das Vergnügen an dem Spaziergang rauben würde.
    Die Luft war kristallklar, und die Sonne schob ihre sanften Strahlen durch Wolken auf dem Weg nach England. Hin und wieder erblickte sie die Bucht, in der dunkelgrüne Wogen ans Ufer klatschten. Wenn sie im Gehen innehielt und sich konzentrierte, konnte sie das Lied der Wellen in der schimmernden Stille wahrnehmen. Heute strömten sicher nicht nur unzählige Touristen an den Strand, sondern auch einige der Einheimischen, hätten sie ein, zwei Stunden frei.
    Junge Mütter, dachte sie, die ihre kleinen Kinder die Zehen in die Brandung stecken lassen würden oder ihnen Sand in die roten Plastikeimer schaufelten. Burgen würden erst gebaut und dann vom Meer wieder eingeebnet.

    Die Hecken zu beiden Seiten des Weges waren schwer von sommerlichen Blüten, und das Gras unter ihren Füßen glänzte frisch im morgendlichen Tau. Im Norden kauerten die hohen Berge unter den hellen Wolken, die ihre Gipfel umschwebten. Und vor ihnen erstreckte sich die endlos lange Kette grüner, wunderbarer Hügel.
    Jude liebte ihren Anblick, liebte die schlichte, reine Schönheit dieses Landes, die Ruinen alter Burgen, die nicht vom Meer, sondern von der Zeit und zahllosen Feinden überflutet worden waren. Sie ließen sie an Ritter und Jungfrauen denken, an kleine und große Könige, an listige Dienstboten und findige Spione. Und natürlich an Magie und Hexerei und die Gesänge der Feen!
    An die Menge der Geschichten, die sie noch erzählen müsste, und in denen es um Opfer aus Liebe und der Ehre wegen, um den

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