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Insel des Sturms

Insel des Sturms

Titel: Insel des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberts Nora
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Triumph des Herzens oder verzauberte Wesen und die schließliche Überwindung des jeweiligen Zauberbannes ging.
    An einem Ort wie diesem konnte ein Erzähler Jahre damit verbringen, Geschichten zu sammeln, zu sortieren und weiterzugeben. Sie könnte silbrige Vormittage wie den heutigen damit verbringen, über die Hügel zu streifen und ihre Fantasie schweifen zu lassen; an regnerischen Nachmittagen schriebe sie dann ihre Geschichten auf. Abends würde sie sich, zufrieden mit dem Tag, in einem Sessel zusammenrollen und Bilder im Torffeuer finden, oder in den Pub hinunterwandern und sich an dem dort herrschenden Lärm, der fröhlichen Gesellschaft und der lebhaften Musik erfreuen.
    Es wäre ein wunderbares Leben, voller interessanter Dinge, voller Schönheit, voller Träume.
    Plötzlich blieb sie stehen, überrascht nicht nur von dem Gedanken, sondern vor allem von der Tatsache, dass sie ihn überhaupt erwog. Sie könnte einfach bleiben, nicht nur für weitere drei Monate, sondern bis ans Ende ihrer Tage. Sie
könnte Geschichten schreiben, die ihr erzählt würden, und Geschichten, die sich beständig selbst in ihr formten.
    Nein, natürlich könnte sie das nicht. Was dachte sie da nur? Jude lachte, wenn auch zittrig, auf. Sie musste wie geplant zurück nach Chicago, dort eine Arbeit auf dem Gebiet finden, auf dem sie sich auskannte, um ihren Lebensunterhalt zu sichern – während Träume Träume blieben. An etwas anderes zu denken, war vollkommen illusorisch.
    Aber warum?
    Gerade hatte sie sich wieder in Bewegung gesetzt, soeben zwei kurze Schritte unternommen, als sich ihr diese Frage stellte.
    »Warum?«, begehrte sie auf. »Natürlich gibt es einen Grund. Es gibt sogar ein Dutzend Gründe. Ich lebe in Chicago, habe immer in Chicago gelebt.«
    Es gab kein Gesetz, demzufolge sie in Chicago leben musste, flüsterte eine verräterische Stimme in ihr. Schließlich würde sie nicht in schwere Eisenketten gelegt und in irgendein Verlies geworfen, zöge sie einfach weg.
    »Natürlich nicht, aber… ich muss arbeiten.«
    Und was hast du während der letzten drei Monate gemacht?
    »Das ist keine Arbeit, nicht wirklich.« Ihr Magen vollführte einen aufgeregten Satz, und ihr Herz schlug bis zum Hals. »Es ist eher so etwas wie ein Hobby.«
    Warum?
    Sie schloss die Augen. »Weil es mir Spaß macht. Weil mir alles daran Spaß macht, also muss es ein Hobby sein. Doch genau dieser Gedankengang ist auch wieder unglaublich töricht.«
    Vielleicht war es ein seltsamer Ort und ein seltsamer Zeitpunkt für eine Erleuchtung, dieser wilde Hügel am hellen Vormittag. Aber für ihre persönliche Erleuchtung gäbe es ganz sicher keinen passenderen Flecken Erde.

    »Warum kann ich nicht das tun, was mir Spaß macht, ohne dass es sofort mein Misstrauen weckt? Warum kann ich nicht einfach dort bleiben, wo ich lieber bin als sonst wo auf der Welt? Wer bestimmt über mein Leben?«, fragte sie mit einem geradezu verblüfften Lachen, »wenn nicht ich?«
    Mit zitternden Knien ging sie langsam weiter. Sie könnte es wagen – mit ein bisschen Mut. Zum Beispiel ihr Apartment verkaufen und endlich tun, was sie sich aus Angst vor einer Absage bisher nie getraut hatte – nämlich eine Leseprobe ihres Werks einem Agenten vorlegen.
    Endlich könnte sie, auf Gedeih oder Verderb, bei einem Konzept bleiben, das sie wirklich selbst entworfen hatte.
    Darüber musste sie erst mal nachdenken, sorgfältig und ernsthaft. Sie beschleunigte ihr Tempo und ignorierte die Stimme in ihrem Inneren, die sie bedrängte, jetzt zu handeln, auf der Stelle, ehe sie neue Ausflüchte fand. Es wäre ein großer, geradezu enormer Schritt. Und ein vernünftiger Mensch wie sie erörterte große, enorme Schritte erst mal gründlich mit sich.
    Jude war dankbar, als sie von der Hügelkuppe aus das Cottage der O’Tooles erblickte. Sie brauchte dringend Abwechslung, etwas, was sie für eine Weile von ihren Überlegungen ablenkte.
    Angesichts der Wäsche, die bereits zum Trocknen an der Leine hing, fragte sie sich, ob Mollie vielleicht vierundzwanzig Stunden täglich wusch. Im Garten drängten sich wie immer zahllose leuchtend bunte Blumen, und der kleine Schuppen war so voll gestopft wie stets. Betty erhob sich von ihrem morgendlichen Nickerchen im Hof und bellte zur Begrüßung, worauf Finn ergeben winselnd den Weg hinunterschoss.
    Jude folge ihm langsam und hatte soeben die Hofmauer erreicht, als sich die Tür der Küche öffnete.

    »Guten Tag, Jude!« Mollie winkte gut

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