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Insel des Sturms

Insel des Sturms

Titel: Insel des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberts Nora
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, dachte er zufrieden, jetzt guckt sie mich endlich wieder an .

    Wie bereits am Vorabend wallte bei seinem Anblick Hitze in ihr auf, sodass sie sich – eilends – wieder abwandte. »Nein, eigentlich leide ich nicht allzu häufig unter Stimmungsschwankungen. Trotzdem, hmmm. Bei Ihnen gibt es Geschichten von Babys, die aus ihren Betten gestohlen und gegen Wechselbälger vertauscht, Kinder, die von Menschen fressenden Riesen verschlungen werden. Im letzten Jahrhundert haben wir einzelne Passagen und das Ende der meisten Märchen so abgewandelt, dass sie gut ausgehen – während die ursprüngliche Fassung Blut und Tod und Vergeltung enthielt. Psychologisch betrachtet spiegelt dies die Veränderungen innerhalb unserer Kulturen wider, zeigt es, was die Eltern ihre Kinder hören und glauben lassen wollen.«
    »Und was glauben Sie?«
    »Dass eine Geschichte nichts ist als eine Geschichte, aber dass ein glückliches Ende einem Kind weniger Albträume beschert.«
    »Hat Ihnen Ihre Mutter Geschichten von Wechselbälgern erzählt?«
    »Nein.« Bei der Vorstellung musste Jude lachen. »Aber meine Großmutter! Auf eine äußerst unterhaltsame Weise. Ich kann mir vorstellen, dass Sie ein ebenso guter Erzähler sind.«
    »Wenn Sie Lust haben, mit mir ins Dorf zu laufen, gebe ich Ihnen gerne eine Kostprobe von meiner Kunst.«
    »Laufen?« Sie schüttelte den Kopf. »Bis nach Ardmore sind es mehrere Meilen.«
    »Höchstens zwei.« Plötzlich wollte er unbedingt mit ihr spazieren gehen. »Durch den Gang würden Sie die überzähligen Kalorien von Mrs. Duffys Kuchen abarbeiten, und anschließend bekämen Sie von mir ein anständiges Abendessen vorgesetzt. Heute steht unser berühmter Bettelmann-Eintopf auf der Speisekarte, der einem wirklich gut bekommt. Und dann sorge ich dafür, dass jemand Sie nach Hause fährt.«

    Sie bedachte ihn mit einem möglichst kurzen Blick. Es klang wunderbar spontan, einfach aufzustehen und etwas zu unternehmen, ohne Strukturen, ohne Plan. Was natürlich genau der Grund war, dass sie es nicht tun konnte.
    »Klingt wirklich verführerisch, aber ich muss noch ein bisschen arbeiten.«
    »Dann kommen Sie eben morgen.« Wieder nahm er ihre Hand und zog sie auf die Füße, als er sich erhob. »Samstags gibt es bei uns immer gälische Musik.«
    »Gestern Abend machten Sie doch auch schon Musik.«
    »Samstags gibt es mehr. Und etwas… strukturierter, wie Sie es wahrscheinlich ausdrücken würden. Ein paar Leute aus Waterford City, eine Art traditioneller Band. Es wird Ihnen sicherlich gefallen, und Sie können ja wohl kaum über Irlands Legenden schreiben, ohne die Musik zu erwähnen. Also kommen Sie morgen Abend in den Pub, und dafür komme ich am Sonntag zu Ihnen.«
    »Zu mir?«
    Wieder setzte er sein wunderbares Lächeln auf. »Um Ihnen eine Geschichte zu erzählen für Ihre Dokumentation. Wie wäre es mit Sonntag Nachmittag?«
    »Oh, ja, das passt mir gut. Perfekt.«
    »Dann also auf Wiedersehen, Jude Frances!« Er schlenderte zum Tor und drehte sich noch mal um. Seine Augen waren noch blauer als zuvor, als er ihrem Blick begegnete und ihn festhielt. »Und mir passt der Samstag gut. Ich sehe Sie nämlich wirklich gern!«
    Sie blieb reglos stehen, als er sich wieder umdrehte, das Gartentor öffnete und hinaus auf die Straße trat. Selbst als er längst hinter der hohen Hecke verschwunden war, stand sie noch wie angewurzelt da.
    Es sah sie wirklich gern? Was genau meinte er damit?
    War das vielleicht eine Art beiläufiger Flirt? Sein Blick hatte nicht beiläufig gewirkt, sagte sie sich, als sie sich anschickte,
den schmalen Weg zwischen den Blumenbeeten auf und ab zu wandern. Aber woher wollte sie das wissen, nachdem sie ihm soeben erst zum zweiten Mal begegnet war?
    Wahrscheinlich war es genau das. Ein unverbindlicher, freundlicher Flirt eines Mannes, der es gewohnt war, mit Frauen zu flirten. Ganz sicher hatten seine letzten Worte keine tiefere Bedeutung.
    »›Ich sehe Sie gerne im Pub, also kommen Sie doch morgen Abend einmal vorbei‹«, murmelte sie. »Das ist alles, was er damit gemeint hat. Warum, zum Teufel, lege ich eigentlich immer alle Worte auf die Goldwaage?«
    Wütend auf sich selbst kehrte sie ins Haus zurück und warf die Tür ins Schloss. Jede halbwegs vernunftbegabte Frau hätte ihn angelächelt bei dieser Schöntuerei, hätte ebenfalls geflirtet. Hätte harmlos und erwartungsgemäß darauf reagiert. Nur, dass sie eben keine vernunftbegabte Frau, sondern eine neurotische, verklemmte

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