Insel des Sturms
koche ich uns gerne einen Tee«, erklärte Jude, während sie zusammen mit den beiden Damen durch die Haustür trat.
»Das wäre wirklich nett.« Kathy stapfte, in dem Cottage offenbar zu Hause, entschlossen durch den schmalen Flur. »Machen wir es uns doch einfach in der Küche gemütlich!«
Was es zu Judes Überraschung dann auch wirklich wurde. Sie verbrachte eine angenehme Stunde mit zwei Frauen, deren natürliche Wärme und übermütiges Gelächter die Unterhaltung in Gang hielten. Kathy Duffy war eindeutig ein Plappermaul und eine ausgemachte Klatschbase dazu, doch sie äußerte sich auf eine sehr humorvolle, nette Art.
Noch vor Ende der Stunde schwirrte Jude der Kopf von den Namen sämtlicher Menschen, den verwandtschaftlichen Verhältnissen, den Familienfreundschaften und -fehden, den Hochzeiten und Todesfällen in dem kleinen Dorf. Falls es etwas gab, was Katherine Anne Duffy über eine der während des letzten Jahrhunderts in der Umgebung beheimateten Seelen ausließ, war es eindeutig nicht erwähnenswert.
»Wirklich bedauerlich, dass Sie die alte Maude nie kennen gelernt haben«, meinte Kathy jetzt. »Sie war eine wunderbare Frau.«
»Meine Großmutter hat sie sehr gern gehabt.«
»Trotz des Altersunterschiedes kamen einem die beiden immer eher wie Schwestern als wie Cousinen vor.« Kathy nickte nachdrücklich. »Ihre Oma hat als Mädchen nach dem Tod ihrer Eltern bei der alten Maude gelebt. Meine eigene Mutter war mit den beiden befreundet und sowohl sie als auch Maude haben Ihre Oma, als sie heiratete und nach Amerika ging, schmerzlich vermisst.«
»Und Maude blieb ganz alleine hier.« Jude sah sich in der Küche um.
»So sollte es wohl sein. Dabei hatte sie einen Liebsten, und die beiden wollten heiraten.«
»Oh? Was ist denn passiert?«
»Sein Name war John Magee. Meine Mutter sagt, er war ein gut aussehender Bursche mit einer ausgeprägten Liebe zum Meer. Während des Ersten Weltkriegs wurde er Soldat und fiel irgendwo in Frankreich.«
»Eine wirklich traurige, aber zugleich romantische Geschichte«, fügte Betsy erklärend hinzu. »Maude hat niemals mehr einen anderen geliebt und oft von ihm gesprochen, wenn wir sie besuchten – obgleich er bereits Jahrzehnte tot war.«
»Für einige Menschen«, ergänzte Kathy seufzend, »gibt es eben nur eine große Liebe. Nichts vorher und nichts nachher. Aber die alte Maude hat mit ihren Erinnerungen und ihren Blumen ein durchaus glückliches Leben geführt.«
»Ja, dies ist ein gesegnetes Haus.« Sofort nachdem sie es gesagt hatte, fühlte sich Jude wie eine Närrin. Doch Kathy Duffy wiegte zustimmend den Kopf.
»Absolut! Und diejenigen von uns, die sie gekannt haben, sind froh, dass jetzt eine ihrer Verwandten in dem Cottage wohnt. Es ist gut, dass Sie schon im Dorf waren, die ersten Leute kennen gelernt und sich mit ein paar Ihrer Verwandten bekannt gemacht haben.«
»Verwandte?«
»Sie sind mit den Fitzgeralds verwandt, von denen es in unserer Gemeinde jede Menge gibt. Meine Freundin Deidre, die inzwischen in Boston lebt, war vor ihrer Hochzeit mit Patrick Gallagher eine Fitzgerald. Sie saßen gestern Abend in ihrem Pub!«
»Oh, ja!« Sofort tauchten vor Judes geistigem Auge Aidans weiches Lächeln und seine ausdrucksstarken, leuchtend blauen Augen auf. »Man sagte es mir tatsächlich.«
»Scheint, als wäre Ihre Oma eine Cousine ersten Grades von Deidres Großtante Sarah gewesen. Oder vielleicht auch von ihrer Uroma, dann wären sie Cousinen zweiten Grades gewesen. Tja, aber das ist ja egal. Nun, in den älteren der Gallagher-Jungen« – Kathy hielt lange genug im Reden inne, um sich ein Stückchen Kuchen in den Mund zu schieben – »warst du eine Zeit lang verliebt, nicht wahr, Betsy?«
»Vielleicht habe ich ein bisschen für ihn geschwärmt, aber damals war ich ein junges Mädchen von sechzehn.« Betsy blickte ihre Tante über den Rand ihrer Teetasse mit lachenden Augen an. »Und er hat meine Schwärmerei sogar erwidert – aber dann ging er auf Reisen, und ich traf meinen Tom. Als Aidan Gallagher sechs Jahre später wieder nach Hause kam … nun, ich habe ihn immer noch gerne angeschaut, aber nur aus Bewunderung für Gottes hin und wieder anscheinend ausgeprägten Schönheitssinn.«
»Als Junge war er ein ziemlich wilder Kerl, und er hat eine Ausstrahlung, als ob er jederzeit wieder wild werden könnte.« Kathy seufzte wohlig auf. »Ich hatte schon immer eine Schwäche für Wildfänge. Dann haben Sie in den Staaten also
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