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Insel des Sturms

Insel des Sturms

Titel: Insel des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberts Nora
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Ziege war.
    »Genau das bist du, Jude F. Murray! Eine neurotische, verklemmte Ziege. Du hast ganz einfach nicht die Klappe aufgekriegt, um etwas zu sagen wie: ›Ich werde sehen, was sich machen lässt. Ich sehe Sie nämlich ebenfalls sehr gern.‹ O nein, stattdessen stehst du da, als hätte er mit dem Gewehr auf dich gezielt und dir eine Kugel in die Stirn verpasst.«
    Mitten auf der Treppe blieb Jude stehen, hob beide Hände vors Gesicht und schloss erschöpft die Augen. Jetzt führte sie schon nicht mehr einfache Gespräche mit sich selbst. Nein, inzwischen sprach sie mit sich, als bestünde sie aus zwei verschiedenen Personen.
    Sie atmete tief ein und kam zu dem Schluss, dass sie, wenn auch nur aus Frust, am besten ein weiteres Stück von Mrs. Duffys wunderbarem Kuchen aß. Daher machte sie auf der Treppe kehrt, marschierte in die Küche und ignorierte die leise innere Stimme, die ihr sagte, dass sie durch das Essen
des Kuchens ein ganz anderes Verlangen kompensierte. Na und, begehrte sie auf. Wenn ein Prachtbild von einem Mann, den sie kaum kannte, ihre Hormone derart durcheinander brachte, hatte sie, verdammt noch mal, ein Recht darauf, sich mit einer Süßigkeit zu trösten.
    Sie schnappte sich ein Stück des Kuchens mit der rosigen Glasur und wirbelte, als sie ein lautes Poltern an der Hintertür vernahm, erschrocken herum. Beim Anblick des haarigen Gesichts und der langen gelben Zähne fuhr sie laut kreischend zusammen, der Kuchen flog ihr aus der Hand und krachte gegen die Decke, ehe er mit einem Plopp – die Glasur dem Boden zugewandt – vor ihren Füßen landete.
    Sie brauchte nur so lange, wie sich der Kuchen in der Luft befand, um zu erkennen, dass an ihrer Tür kein Monster stand, sondern ein Hund.
    »Himmel! Himmel, was ist das für ein Land? Alle zwei Minuten kommt hier jemand daher!« Sie fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, während sie und der Vierbeiner einander durch das Fenster in der Hintertür beäugten.
    Das Tier hatte große braune Augen, und Jude kam zu dem Schluss, dass sie eher hoffnungsvoll als aggressiv blickten. Es stimmte, das Vieh bleckte seine Zähne, aber zugleich hing ihm die Zunge aus dem Maul, was also sollte sie jetzt tun? Die riesigen Pranken hatten das Türfenster bereits mit Schlamm verschmiert, aber beim Klang des durchaus nicht unfreundlichen Bellens gab Jude am Ende nach.
    Sie ging in Richtung Tür, worauf der Hund mit einem Mal verschwand. Als sie jedoch öffnete, saß er höflich auf den Hinterpfoten, klopfte ergeben mit dem Schwanz und blickte sie treuherzig an.
    »Du bist sicher die Hündin der O’Tooles.«
    Das Tier schien ihre Worte als Einladung zu verstehen und schob sich an ihr vorbei ins Innere der Küche, wobei es eine dunkle Schlammspur auf dem Boden hinterließ. Dann
machte die Hündin Jude die Freude, den heruntergefallenen Kuchen zu verputzen, ehe sie zum Kamin trottete und es sich dort bequem machte.
    »Eigentlich hatte ich heute gar kein Feuer anzünden wollen.« Mit ausgestreckter Hand marschierte Jude hinterher; als die Hündin vorsichtig an ihren Fingern schnupperte und sie dann durch einen Stupser mit der Nase am Kinn traf, lachte Jude vor Freude auf.
    »Du bist wirklich alles andere als dumm.« Gehorsam kraulte sie die Hündin zwischen den Ohren. Zwar hatte sie selbst nie einen Hund besessen, aber ihre Mutter hatte zwei übellaunige, über alle Maßen verwöhnte Siamkatzen, an denen sie wie an zwei Kindern hing.
    Jude stellte sich vor, dass das Zotteltier die alte Maude regelmäßig besucht, dass sie sich vor dem Kamin in der Küche zusammengerollt und der alten Dame Gesellschaft geleistet hatte. Empfanden Hunde Trauer, wenn einer ihrer Freunde starb?, fragte sich Jude – und erinnerte sich mit einem Mal daran, dass sie noch ihr Versprechen einlösen und Blumen auf Maudes Grab bringen musste.
    Am Vorabend hatte sie sich im Dorf nach dieser Ruhestätte erkundigt. Sie lag östlich von Ardmore, oberhalb des Meeres, in der Nähe des Pfades, über den man am Hotel vorbei zum alten Brunnen von Saint Declan gelangte.
    Bis dorthin wäre es ganz sicher ein reizvoller Spaziergang.
    Aus einem Impuls heraus zog Jude die von ihr auf der Anrichte arrangierten Blumen aus der Flasche und wandte sich fragend an die Hündin.
    »Willst du mit mir die alte Maude besuchen?«
    Leise bellend sprang der Vierbeiner auf die Füße, und als sie gemeinsam durch die Hintertür das Haus verließen, fragte sich Jude flüchtig, wer von ihnen beiden führte – die

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