Insel des Sturms
Reserviertheit schmolzen wie Schnee in der Sonne, als Jude dem Zauber der Blumen und Mollies geduldigen Erklärungen verfiel.
Diese fedrigen Blätter gehörten zum Rittersporn, der, wie Mollie sagte, in weichen, doch zugleich schillernden Farbtönen blühte, und jene reizenden zweifarbigen Trompeten waren die Blüten einer Akelei. Überall wiegten sich Blumen mit seltsamen und zugleich charmanten Namen wie Phlox und Nelken, Wiesenfrauenmantel und Bienenmelisse.
Natürlich würde sie die Namen wieder vergessen oder zumindest verwechseln; aber es war ein Wunder, gezeigt zu bekommen, was im Frühling blühte und was erst im Sommer, Zähe und Robuste oder Zarte. Was die Bienen anzog und die Schmetterlinge und was ihnen weniger gefiel.
Sie kam sich nicht idiotisch vor, als sie Fragen stellte, die bestimmt kindisch klingen mussten für einen Menschen, der sich mit Botanik auskannte. Doch Mollie lächelte zu allem, nickte freundlich und setzte zu ausführlichen Erklärungen an.
»Die alte Maude und ich haben immer hin und her getauscht, mal einen Busch, mal einen Setzling, mal eine Hand voll Samen. Also haben Sie das meiste von dem, was hier wächst, auch bei sich an Ihrem Cottage. Sie hegte eine Vorliebe für romantische Gewächse und ich für fröhliche. Also hat am Ende jeder von uns beides gehabt. Irgendwann komme ich, wenn Sie nichts dagegen haben, mal zu Ihnen rüber und sehe mir an, ob etwas Dringendes bei den Beeten erledigt werden muss.«
»Dafür wäre ich Ihnen wirklich dankbar, vor allem, da ich weiß, wie viel Sie immer zu tun haben.«
Gemütlich verschränkte Mollie die Arme. Ihr Gesicht war ebenso hell und freundlich wie die Blumen, die sie so erfolgreich züchtete. »Sie sind ein nettes Mädchen, Jude, und ich würde gern hin und wieder ein wenig mit Ihnen gemeinsam im Garten buddeln. Außerdem haben Sie ein hübsches, gepflegtes Äußeres und ein angenehmes, höfliches Benehmen. Ich hätte nichts dagegen, wenn ein bisschen davon auf meine Brenna abfärben würde. Sie hat ein großes Herz und ein cleveres Hirn, aber gleichzeitig etwas raue Kanten.«
Mollies Blick wanderte über Judes Schulter, und sie seufzte leise auf. »Apropos. Hast du die Bestie am Ende besiegt, Mary Brenna?«
»Es war ein harter Kampf voll Blut und Schweiß und Tränen,
aber am Ende habe ich gewonnen!« Mit stolzgeschwellter Brust segelte Brenna um das Haus. Auf ihrer Wange prangte ein Ölfleck, und auf den Knöcheln ihrer linken Hand lag eine trockene Blutkruste. »Jetzt müsste er wieder funktionieren.«
»Verdammt, Mädchen, du weißt ganz genau, dass ich viel lieber einen neuen Kühlschrank hätte.«
»Dabei hat dieser noch ein langes Leben vor sich.« Sie küsste ihre Mutter herzhaft auf die Wange. »Aber jetzt muss ich allmählich wieder los. Ich habe Betsy Clooney versprochen vorbeizukommen und die Fenster ihres Hauses zu reparieren. Wollen Sie mit mir zurückfahren, Jude, oder bleiben Sie noch ein bisschen?«
»Ich muss auch langsam nach Hause. Aber, Mollie, hier bei Ihnen war es wirklich schön. Vielen Dank!«
»Kommen Sie einfach mal wieder, wann immer Sie Lust auf ein wenig Gesellschaft haben.«
»Das werde ich bestimmt. Oh, ich habe meine Handtasche im Haus gelassen. Wenn es Ihnen recht ist, laufe ich schnell rein und hole sie.«
»Gehen Sie ruhig.« Mollie wartete, bis die Tür hinter Jude ins Schloss gefallen war. »Sie ist hungrig«, murmelte sie.
»Hungrig, Ma?«
»Hungrig auf Taten. Hungrig auf Leben. Aber sie hat Angst, sich den Magen zu verderben. Natürlich ist es vernünftig, wenn man immer nur kleine Happen isst, aber hin und wieder …«
»Darcy denkt, Aidan hätte ein Auge auf sie geworfen.«
»Ach, ja?« Mollie wandte sich ihrer Tochter zu und wackelte belustigt mit den Brauen. »Dann bekäme sie mit einem Mal eine Riesenportion auf ihren Teller, findest du nicht?«
»Und Darcy hat mir auch erzählt, sie hätte mal beobachtet, wie er die Kleine von Duffys hofiert hat, und als er mit
dem Küssen fertig war, hätte das Ding geschwankt, als hätte es zu viel getrunken.«
»Es steht Darcy nicht zu, ihren Brüdern hinterherzuspionieren«, lautete Mollies erhabene Erwiderung, ehe sie ihre Tochter erneut ansah. »Welches von den Duffy-Mädchen war es denn? Ach, erzähl es mir einfach nachher«, fügte sie eilig hinzu, als Jude wieder aus dem Haus kam.
»Dann hat Ihnen der Besuch bei meiner Mutter also Spaß gemacht«, begann Brenna, als sie in den Pick-up kletterte.
»Ihre Mutter ist eine
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