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Insel des Sturms

Insel des Sturms

Titel: Insel des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberts Nora
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Mann die Gelegenheit dazu zu geben. Nur wenn du ihr Herz in den Händen behältst, bist du die Überlegene. Räumst du ihnen hingegen Macht über dein eigenes Herz ein, ist das der sichere Untergang.«
    »Ich glaube, ich würde gerne einen Menschen derart lieben.« Judes Augen fielen zu. »Selbst wenn es wehtäte. Wenn man so liebt, fühlt man sich sicher nie mehr derart durchschnittlich und gewöhnlich, wie es mir jetzt ergeht.«
    »Nein, aber zugleich kommt man sich bestimmt einigermaßen dämlich vor«, murmelte Brenna, und mit leisem Lachen schlief Jude ein.

10
    Als Jude am nächsten Tag erwachte, tanzten winzige Gestalten in derben Holzschuhen ein rustikales Ballett in ihrem Kopf. Sie konnte jeden ihrer Schritte, jeden ihrer Sprünge in ihren Schläfen zählen. Es war eher verwirrend als unangenehm, und vorsichtig öffnete sie die Augen.
    Zischte, als sie das blendende Licht der Morgensonne traf, machte die Augen wieder zu und nochmals, vorsichtiger, wieder auf.
    Überall lagen Kleidungsstücke herum. Zuerst dachte sie, es wäre vielleicht ein schlimmer Sturm über das Cottage hinweggefegt, ähnlich eines Tornados in der Geschichte vom Zauberer von Oz, der sämtliche Besitztümer der armen Dorothy in ihrem Zimmer herumgeschleudert hatte.
    Das würde auch erklären, weshalb sie diagonal, halb nackt, mit dem Gesicht nach unten, auf ihrem zerwühlten Laken lag.
    Beim Klang des leisen Schnaubens unter ihrem Bett hielt sie erst erschreckt die Luft an und atmete dann keuchend wieder aus. Bestenfalls hatte sie es mit irgendwelchen Nagern zu tun – dachte sie erschüttert –, schlimmenstenfalls war es eine dieser verrückten kleinen Puppen, die zum Leben erwacht waren und Messer und Ähnliches mit sich herumschleppten, um damit die Hände und Füße der Menschen zu pieksen, wenn diese sie achtlos nachts über die Bettkante hängen ließen.
    Als Kind hatte sie Albträume von diesen grauenhaften Püppchen gehabt und wirklich niemals irgendeine Gliedmaße über den Rand ihres Bettes hängen lassen. Schließlich wusste man ja nie.
    Was auch immer sich gerade unter ihr befand, sie war damit allein und musste sich verteidigen. Glücklicherweise
lag auf ihrem Kopfkissen ein marineblauer, hochhackiger Schuh. Ohne sich zu fragen, wie er dorthin geraten war, nahm sie ihn wie eine Waffe zur Hand und atmete tief ein.
    Mit zusammengebissenen Zähnen kroch sie näher an den Rand ihrer Matratze, spähte vorsichtig hinunter und machte sich bereit für das, was getan werden musste.
    Auf dem Boden lag Brenna, wie eine Mumie eingehüllt in ihren dicken weißen Morgenmantel, den Kopf auf einem Stapel zerknitterter Pullover, zu ihren Füßen eine leere Weinflasche.
    Jude starrte sie entgeistert an, kniff eilig ihre Augen zu und riss sie wieder auf.
    Die Beweise waren nicht zu übersehen. Da gab es nichts zu leugnen. Weinflaschen, Gläser, leere Schalen, verstreute Garderobe.
    Sie war weder von Nagetieren noch von bösen Puppen heimgesucht worden, sondern hatte sich ganz einfach zusammen mit Gleichgesinnten betrunken.
    Aus ihrer Kehle drang ein lautes Kichern, und eilig vergrub sie ihren Kopf in dem zerwühlten Laken, denn sonst hätte sie sicherlich Brenna geweckt und ihr erklären müssen, weshalb sie kopfüber am Rand ihres Bettes hing und wie eine Verrückte gackerte.
    Oh, ihre Freunde, ihre Verwandten und Kollegen wären, wenn sie sie jetzt sähen, sicherlich schockiert. Sie hielt sich den vor Lachen schmerzenden Bauch, rollte auf den Rücken und starrte glücklich unter die Decke ihres Schlafzimmers. Wenn sie in Chicago Gäste gehabt hatte, pflegte es sich dabei stets um sorgfältig geplante Dinner zu handeln, mit sorgfältig ausgesuchter leiser Hintergrundmusik, sorgfältig ausgewählten Flaschen teuren Weins.
    Und falls jemand ein Gläschen zu viel genossen hatte, verabschiedete er sich auf der Stelle und möglichst diskret. Keinesfalls wäre jemals die Gastgeberin in Anwesenheit ihrer
Besucher auf ihrem Bett eingeschlafen, sondern immer brachte sie ihre Gäste höflich an die Tür und räumte anschließend noch auf.
    Nie zuvor hatte jemand zusammengerollt auf ihrem Fußboden geschlafen, und nie zuvor war sie am nächsten Morgen mit einem Kater aufgewacht.
    Aber es gefiel ihr, dachte sie erstaunt.
    Es gefiel ihr derart gut, dass sie dieses Ereignis sofort in ihr Tagebuch schreiben wollte. Sie kletterte aus dem Bett, fuhr zusammen und grinste dann zufrieden über das Dröhnen ihres Schädels. Ihr erster echter Kater. Welch

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