Insel des Sturms
findet, genau deshalb und wegen deines damenhaften Benehmens
wärst du gut für mich.« Brenna klopfte der Freundin fröhlich auf die Schulter. »Und trotzdem habe ich dich gern.«
»Wirklich?«
»Na sicher, ebenso wie Darcy, und das nicht nur wegen deiner hübschen Kleider.«
»Natürlich mag ich unsere Jude nicht nur wegen ihrer Klamotten.« Darcys Stimme klang beleidigt. »Ich mag sie auch wegen ihres wunderbaren Schmucks.« Lachend warf sie sich rücklings auf das Bett. »War nur ein Scherz! Natürlich mögen wir dich, Jude. Mit dir hat man jede Menge Spaß, auch wenn man nur die Hälfte dessen, was du sagst, versteht.«
»Wie nett!« Wieder wallten in ihr verräterische Tränen auf. »Es ist so schön, Freundinnen zu haben, vor allem, wenn man entweder an Hirnkrebs stirbt oder dem Wahnsinn verfällt.«
»Auf dich trifft ganz sicher keins von beidem zu. Du hast bloß Carrick, den Feenprinzen, getroffen«, verkündete Brenna im Brustton echter Überzeugung. »Er wandert über seinen Plastikhügel, bis er endlich seine Lady Gwen bekommt.«
»Glaubst du das tatsächlich?« Plötzlich schien es irgendwie möglich – möglich in einer Weise, die ihr noch wenige Stunden zuvor vollkommen absurd erschienen war. »Glaubst du tatsächlich an Feenpaläste und Geister und Zaubersprüche mit einer Kraft, die über Jahrhunderte anhält? Sagst du das nicht nur, um mich zu trösten?«
»Ganz sicher nicht.« Brenna lungerte in Judes dickem Morgenmantel auf dem Boden und knabberte an den Resten der Schokolade. »Ich glaube an jede Menge Dinge, solange man mir nicht das Gegenteil beweist. Soweit ich weiß, hat bisher niemand bewiesen, dass es keine Feenpaläste unter den Hügeln der Umgebung gibt, und die meisten Menschen sind der festen Überzeugung, dass an den alten Geschichten etwas dran ist.«
»Ja!« Jude schlug Brenna begeistert auf die Schulter. »Genau diese These vertrete ich auch in meiner Dokumentation. Die meisten Legenden werden so lange weitergegeben, bis die Leute glauben, sie wären wirklich wahr. Der historische Artus wurde durch die Hinzufügung magischer Schwerter und Merlins des Zauberers zu einer Legende. Vlad, der Zerstörer, wurde ein Vampir. Die weisen Frauen, die Heilerinnen, wurden Hexen und so weiter und so fort. Die menschliche Neigung zur Übertreibung, zur Extrapolation, dazu, eine Geschichte unterhaltsamer zu gestalten, indem man fantastische Elemente hinzufügt, macht eben diese Geschichte zur Legende, der man dann in gewissen Kulturen einen wahren Kern zutraut.«
»Hört euch das an! Die Frau kann wirklich reden.« Darcy, die glücklich in einem von Judes Kaschmirpullovern auf dem Bett hockte, spitzte nachdenklich die Lippen. »Ich bin sicher, meine liebe Jude, dass das, was du eben gesagt hast, sehr intelligent und tief schürfend gewesen ist – auch wenn du behauptest, nur eine mittelmäßige Psychologin gewesen zu sein. Aber in meinen Ohren klingt das alles wie ein Haufen Quatsch. Hast du nun Carrick, den Feenprinzen, gesehen oder nicht?«
»Ich habe jemanden gesehen. Er hat mir seinen Namen nicht genannt.«
»Und dieser Jemand hat sich vor deinen Augen in Luft aufgelöst?«
Jude runzelte die Stirn. »So hat es auf mich gewirkt, aber …«
»Kein Aber, nur die Fakten. So geht man solche Dinge ja wohl logisch an. Wenn er mit dir geredet hat, dann will er was von dir. In meinem ganzen Leben habe ich bisher nur gehört, dass er mit der alten Maude redete. Und du, Brenna?«
»Ich auch. Hattest du Angst vor ihm, Jude?«
»Nein, natürlich nicht.«
»Das ist schon mal gut. Ich denke, wenn er dir ein Leid zufügen wollte, hättest du das längst bemerkt. Vermutlich ist er eben einsam, und es verlangt ihn nach seiner Liebsten. Dreihundert Jahre«, sagte sie mit Sehnsucht in der Stimme. »Irgendwie ist es tröstlich zu wissen, dass Liebe so lange halten kann.«
»Du bist eine unverbesserliche Romantikerin, Brenna!« Darcy erhob sich vom Bett und rollte sich gähnend in dem kleinen Sessel zusammen, der nicht weit vom Fenster stand. »Die Liebe der beiden dauert nur deshalb an, solange sie auf Sehnsucht fußt. Aber steck die beiden zusammen und spätestens in sechs Monaten streiten sie ebenso wie alle anderen miteinander herum.«
»Siehst du – du hast noch nie einen Mann gehabt, der den Mut besessen hätte, dein Herz zu erobern und auf Dauer festzuhalten.«
Darcy zuckte mit den Schultern und schob sich noch tiefer in den Sessel. »Ich habe auch nicht die Absicht, jemals einem
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