Insel des Sturms
entschuldigt habe dafür, dass er mit unserer Ehe unzufrieden war. Und er nahm meine Entschuldigung großmütig an, als hätte er nichts anderes erwartet. Nein«, verbesserte sie sich und blickte Aidan reglos an, »denn er hatte nichts anderes erwartet.«
Er spürte deutlich ihren Schmerz. »Das sollte dir eine Lehre sein, dass du dich einfach zu häufig entschuldigst.«
»Vielleicht. Auf jeden Fall erklärte er mir höflich, da er mich respektiere und mir gegenüber vollkommen ehrlich sein wolle, fühle er sich verpflichtet, mir zu sagen, dass er sich in eine andere verliebt hätte.«
Eine jüngere, hübschere, strahlendere Frau.
»Mein Mann wollte keine schmutzige, ehebrecherische Affäre mit ihr anfangen, und deshalb bat er mich, umgehend die Scheidung zu beantragen. Das Haus würde verkauft und alles genau zwischen uns aufgeteilt. Da er mich um die Scheidung gebeten hatte, war er obendrein so großzügig, mich als Erste die gemeinsam angeschafften Gegenstände aussuchen zu lassen, an denen ich besonders hing.«
Vorerst blieb Aidan stumm. Sie hatte ihre Fassung wiedererlangt und saß ruhig und anscheinend gelassen ihm gegenüber auf dem Sofa. Zu gelassen, wie er fand. Er kam zu dem Schluss, dass er es vorzog, wenn sie leidenschaftlich und somit sie selber war. »Und was hast du getan?«
»Nichts. Ich habe nichts getan. Er bekam die Scheidung, heiratete die andere, und wir alle führten unsere Leben fort, als wäre nichts geschehen.«
»Er hat dir wehgetan.«
»William hätte es sicher eher das unglückliche, aber unvermeidbare Nebenprodukt der damaligen Situation genannt.«
»Dann ist William ein Schwein!«
Sie lächelte zaghaft. »Vielleicht. Aber was er getan hat, war sicher sinnvoller, als wenn man sich weiter durch eine Ehe gequält hätte, in der man unglücklich gewesen wäre.«
»Warst du in deiner Ehe denn unglücklich?«
»Nein, aber ich glaube, von Glück konnte auch nicht die Rede sein.« Ihr Kopf tat weh, und sie war hundemüde. Am liebsten hätte sie sich auf dem Sofa zusammengerollt und die Augen zugemacht. »Wahrscheinlich bin ich zu allzu großartigen Gefühlen gar nicht in der Lage.«
Er war ebenfalls erschöpft. Dies war dieselbe Frau wie die, die sich ihm erst vor wenigen Augenblicken lustvoll in die Arme geworfen und dann bittere Tränen darin vergossen hatte. »Nein, du bist wirklich ein durch und durch ruhiger, zurückhaltender Mensch, nicht wahr, Jude Frances?«
»Ja«, wisperte sie. »Die stets ach so vernünftige Jude.«
»Was hat dich also heute derart aus dem Gleichgewicht gebracht?«
»Das Ganze ist vollkommen lächerlich.«
»Weshalb sollte es lächerlich sein, wenn es eine solche Wirkung auf dich hat?«
»Weil es nicht die geringste Wirkung auf mich haben sollte. Weil ich längst damit fertig sein sollte.« Sie warf ihren Kopf zurück, und das Blitzen, das mit einem Mal in ihre Augen trat, missfiel ihm keineswegs. »Schließlich sind wir längst geschieden, oder nicht? Seit zwei Jahren schon. Hat doch nichts mit mir zu tun, wenn er auf die West Indies fliegt!«
»Und warum macht es dir was aus?«
»Weil ich auch dorthin wollte!«, brach es aus ihr heraus. »Anlässlich unserer Hochzeitsreise wollte ich mit ihm an irgendeinen fremden, wunderbaren, exotischen Ort fliegen. Ich hatte jede Menge Prospekte aus dem Reisebüro geholt. Paris, Florenz, Rimini. Alle möglichen Orte. Wir hätten überall hinfliegen können, und ich wäre außer mir gewesen vor Begeisterung. Aber alles, wovon er die ganze Zeit geredet hat waren – waren …«
Sie fuhr mit den Händen durch die Luft. »Sprachschwierigkeiten, die Gefahren des Kulturschocks, Gefahren durch fremde Bakterien. Himmel!«
Ebenso wütend wie zuvor sprang sie von ihrem Platz auf. »Also flogen wir nach Washington und brachten Stunden – Tage – Jahrhunderte mit Wanderungen durch das Smithsonian Institute und mit dem Besuch irgendwelcher idiotischer Vorlesungen zu.«
Bisher hatte nichts an ihrer Rede Aidan tatsächlich schockiert, nun jedoch starrte er sie vollkommen entgeistert an. »Ihr habt während eurer Hochzeitsreise Vorlesungen besucht?«
»Pflege kultureller Gemeinsamkeiten«, stieß sie verächtlich aus. »So hat er es genannt.« Mit hochgeworfenen Armen tappte sie wie eine gefangene Tigerin durch das kleine Wohnzimmer. »William zufolge knüpfen die meisten Paare an ihre Hochzeitsreise allzu hohe Erwartungen.«
»Weshalb denn wohl auch nicht?«
»Genau!« Mit vor gerechtem Zorn gerötetem Gesicht
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