Insel hinter dem Regenbogen (German Edition)
Spüle zu bringen. Sie füllte Wasser und Geschirrspülmittel ein und fing an, Tassen und Teller zu spülen. Olivia wünschte allen eine gute Nacht und verschwand, um eine Freundin aus der Schule anzurufen. Die Frauen waren allein in der Küche.
„Louises Geschichte ist wirklich traurig“, sagte Janya. „Bis auf ihre Tochter schien sie am Ende niemanden gehabt zu haben.“
Wanda nahm einen Teller aus dem Abtropfbrett und begann wie selbstverständlich abzutrocknen. „Man wird erwachsen, hat viele Freunde, heiratet den richtigen Mann und ist plötzlich von zahlreichen Menschen umgeben. Dann passiert irgendwas, und mit einem Mal ist man einsamer, als man es sich je hätte vorstellen können.“
„Ja, wenn man sich seine Zukunft ausmalt, denkt man nicht daran, dass man plötzlich Tausende von Kilometern von den Menschen entfernt sein könnte, die man liebt“, entgegnete Janya.
Tracy war aufgefallen, dass Janya nicht so gelassen und heiter war wie sonst. Sie hatte es dem Streit mit Wanda zugeschrieben, obwohl die beiden offensichtlich eine Einigung gefunden hatten. Jetzt fragte sie sich jedoch, ob Janya möglicherweise Heimweh hatte. Und warum auch nicht? Vielleicht war Louise einsam gewesen und vielleicht auch nicht, aber die Frauen hier im Zimmer kannten das Wort und das damit verbundene Gefühl nur allzu gut.
„Ich bin nicht so viele Kilometer von meinen Lieben entfernt“, sagte Wanda. „Ich kann nach Miami fahren, wenn ich Sehnsucht nach meinen alten Freunden oder Kindern habe. Aber ich hätte nie gedacht, dass der Mann, den ich geheiratet habe, sich eines Tages so verhalten könnte, als wäre er Tausende von Kilometern entfernt.“
„Wenn man alt wird …“ Alice stellte noch etwas Geschirr auf das Abtropfbrett, ehe sie weitersprach. „Die Freunde? Weg, einfach so. Sie sterben oder wohnen bei ihren Kindern oder ziehen … in Altenheime.“
Janya deckte den Kuchen mit Folie ab. Tracy wischte mit einem Schwamm über die Anrichte. Sie fand es seltsam, dass alle sich hier wie zu Hause zu fühlen schienen und Aufgaben erledigten, die Frauen schon seit Jahrhunderten machten, und dabei von sich selbst erzählten.
„Ich weiß, dass Sie der Meinung sind, dass ich nicht viel mit Ihnen gemeinsam habe“, sagte sie. „Aber da liegen Sie falsch. Kurz bevor ich hierhergezogen bin, habe ich meinen Ehemann, mein Zuhause, meine Sicherheit, meine Freunde und meine Familie verloren. Mist, oder?“
„Was ist mit Ihrer Familie passiert?“, fragte Wanda.
„Nun ja, C J war ein Betrüger. Und er war sich nicht zu schade, Geld von jedem zu nehmen, um damit miese geschäftspolitische Entscheidungen zu unterstützen. Er war außerdem ein Mann, der einem in die Augen blicken und versprechen konnte, dafür zu sorgen, dass die Sonne eine Stunde früher aufgeht – und man hat ihm das, ohne zu zögern, geglaubt. An einem Ort wie Bel Air ist mein Vater zwar nicht das, was man reich nennt, aber er kam immer gut zurecht. Er hatte einiges für die Altersvorsorge auf die hohe Kante gelegt. Sein Ziel war es, mit sechzig in Rente zu gehen, obwohl meine Mutter bei der Scheidung ihren Teil seiner Geldanlagen für sich beansprucht hat.“
„Ich kann mir denken, wie es weitergeht“, sagte Wanda. „Ich kann es praktisch riechen.“
„Sie haben es erfasst. C J überredete Daddy, in sein Geschäft zu investieren. Auf dem Papier sah es aus, als wäre Daddy so erfolgreich, dass er sich zur Ruhe setzen könnte, ohne sich Gedanken über irgendjemanden machen zu müssen. Weder über die alte Frau noch die neue Frau. Also hat er meiner Mutter ebenfalls empfohlen, sich C Js Plan anzuschließen. Sie zu überzeugen war überhaupt kein Problem. Mom dachte, C J wäre die Sonne. Doch am Ende hat sie sich verbrannt – wie alle anderen. Denn als C J abstürzte, hat er sie alle mitgerissen. Jetzt wird Daddy Zähne richten müssen, bis er achtzig ist, und meine Mutter musste das Haus verkaufen, in dem ich aufgewachsen bin. Es war eine tausend Quadratmeter Villa mit Blick auf Catalina Island. Sie musste in einen Bungalow in Del Rey ziehen. Und das alles ist meine Schuld, verstehen Sie? Weil ich ja unbedingt einen Betrüger heiraten musste.“
Ihr war nicht bewusst gewesen, wie aufgewühlt sie mit einem Mal war, doch als sie zum Ende kam, fiel ihr auf, dass die Worte nur so aus ihr hervorgesprudelt waren.
„Und damit haben sie Sie mehr oder weniger verstoßen“, sagte Wanda.
„Die zweite Frau meines Vaters hat kundgetan, dass ich niemals
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