Insel meiner Traeume
ihre Lungen. Keuchend klammerte sie sich an Alex, atmete hastig ein und aus, bis das grausige Gefühl verebbte, in schwarzen Tiefen zu ertrinken. Erst danach merkte sie, dass er sie festhielt und für beide Wasser trat, während er selber nach Atem rang.
»Mir geht’s gut...«, japste sie und hustete. »Lass mich los, ich komme zurecht.«
Sie sah ihn nicht, aber sie spürte sein Zögern. »Bist du sicher?«
»Selbstverständlich. Wenn es auch eine gewisse - Herausforderung war...«
Sein leises Gelächter erfüllte ihr Herz mit heißer Freude. »Was für eine tapfere Frau du bist! Dafür danke ich den Göttern. Wir schwimmen jetzt zu einer anderen Höhle, die uns etwas Licht spenden wird - aus der gleichen Quelle wie zuvor. Danach müssen wir noch einmal die Luft anhalten. Glücklicherweise ist diese Passage viel kürzer.«
Wortlos fügte sie sich in ihr Schicksal, von neuer Angst erfasst. Doch das Schlimmste lag hinter ihnen, und dieser Gedanke ermunterte sie. Ihre Hoffnung war berechtigt, denn sie bewältigte die zweite Strecke unter Wasser ohne größere Schwierigkeiten. Als Alex mit ihr auftauchte, blinzelte sie verblüfft, weil sie sich gegen ein viel längeres Martyrium gewappnet hatte. Erleichtert lächelte sie und ignorierte ihre klappernden Zähne. »Bald sind wir draußen, nicht wahr?«
»Oh ja. Ich glaube, der Mond steht immer noch am Himmel. Wenn wir uns der Öffnung nähern, wirst du sein Licht sehen. Und da wir so lange im Dunkeln waren, wird es dir umso heller erscheinen.«
An seiner Wange spürte er ihr Nicken. »Worauf warten wir?«, fragte sie.
Alex zögerte. »Wenn du das Licht siehst, musst du dich vorbereiten...«
»Worauf?«
»Wie ich dir bereits erklärt habe, quillt der Fluss in der Nähe des Eingangs hervor, durch den wir die Höhlen betreten haben - und zwar in der Gestalt eines Wasserfalls.«
Das musste ein Scherz sein. Nachdem sie eine Explosion überlebt hatten und in einem unterirdischen Strom geschwommen waren, teilweise ohne Atemluft, konnte er unmöglich verkünden, eine tosende Kaskade würde sie ins Leere schleudern.
»Bist du schon einmal ins Wasser gesprungen, Joanna?«
»Auf Hawkforte? Nur selten.«
»Der Fluss ergießt sich in einen sehr tiefen Teich mit sandigem Grund. Davor musst du dich nicht fürchten.«
Oh, natürlich nicht. Nun verstand sie besser denn je, warum Alex und sein Bruder solche Expeditionen zum Spaß unternommen hatten.
»Hoffentlich bist du mir deshalb nicht böse...«, seufzte sie. »Aber ich finde, dein Vater hat Atreus und dir viel zu wenige Herkulesarbeiten aufgebürdet.«
»Genau das dachte unsere Mutter auch. Bist du bereit?«
Nein. Doch das spielte wohl kaum eine Rolle. Wieder einmal holte sie tief Luft und folgte ihm.
Bald hörte sie gurgelnde Geräusche, und das undurchdringliche Dunkel erhellte sich. An beiden Ufern lösten sich die Konturen einzelner Felsmassive aus den Schatten, und das Wasser begann zu funkeln.
Mondlicht. Beinahe hatten sie die Öffnung erreicht. Nurmehr ein paar Sekunden - und...
»Mit dem Kopf voraus!«, überschrie Alex das Rauschen des Wasserfalls. »Stoß dich vom Grund des Teichs ab, sobald du aufgeschlagen bist.«
Aufgeschlagen... Was für eine ungünstige Wortwahl... Hätte er bloß gesagt, wenn sie im weichen Sand versinken würde...
Plötzlich raste sie nach draußen und flog durch die Silbernacht, die ihr schmerzhaft in die Augen stach. Ihr Magen schien Purzelbäume zu schlagen - und ihr sogar vorauszueilen. In ihrer Nähe sah sie einen Schemen, der Alex sein musste, ins Wasser stürzen. Bevor sie selber untertauchte, fand sie gerade noch Zeit, um nach Luft zu schnappen. Ob sie den Grund berührte, wusste sie nicht. Jedenfalls kämpfte sie mit aller Kraft gegen die wirbelnden Wellen, um die Oberfläche zu erreichen.
Und dann schnellte sie empor, direkt in Alex’ Arme.
Ganz fest drückte er sie an sich, schwamm mit ihr ans Ufer und trug sie an Land. »Wir haben es geschafft. Bei allen Göttern, wir haben es tatsächlich geschafft!«
Joanna spuckte Wasser aus und starrte ihn an. »Tu nicht so überrascht! Wie viele Dutzend Mal bist du durch die Höhlen hierher geschwommen?«
»Ein paar Dutzend Mal.« Er lachte erleichtert. »Als ich jung und dumm war. Niemals dachte ich, das würde ich in späteren Jahren noch einmal tun - schon gar nicht mit einer Frau, der ich niemals erlauben dürfte, solchen Gefahren zu trotzen.«
»Erlauben?« Ihre Stimme klang sehr sanft, fast wie eine Liebkosung.
Unter
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