Insel meiner Traeume
Sonnenschein auf einem nahen Gewässer. Sie lag am Boden. Und etwas Schweres hielt sie fest. Hart und warm und - oh - so vertraut... Ein muskulöser Arm.
»Alex!«
Beim Klang ihrer Stimme hüpfte der Vogel davon, nicht allzu weit, nur um sich in Sicherheit zu bringen. Träumerisch beobachtete sie ihn, bis sie vollends erwachte.
Sie drehte sich auf den Rücken und betrachtete den dunklen Kopf an ihrer Schulter. Über Nacht waren Bartstoppeln auf den schmalen Wangen ihres Liebhabers gewachsen. Der Morgenwind zerzauste sein ebenholzschwarzes Haar.
So - liebenswert sah er aus. Ja, genau das richtige Wort und zweifellos auch der Grund des beengten Gefühls in ihrer Brust - des kleinlichen, selbstsüchtigen Wunsches, die Welt fern zu halten, den gnadenlosen Anspruch der Pflicht für eine Weile zu vergessen.
Ein ehrloser Gedanke, der auch Alex beschämen würde -und doch so verführerisch im goldenen Morgenlicht...
Vorsichtig schlüpfte sie unter seinem Arm hervor, stand auf und wollte sich von der lockenden Versuchung entfernen - aber sie kam nicht weit. Etwas straff Gespanntes hielt sie zurück. Verwirrt musterte sie das seidene, um ihre Taille geschlungene Seil, das sie mit Alex verband. Erst jetzt erinnerte sie sich wieder an die lebensbedrohliche Flucht aus den Höhlen, das beängstigende Dunkel, den unterirdischen Fluss. Dies alles war im Feuer der Leidenschaft entschwunden, das danach so hell gelodert hatte.
Über ihren Rücken lief ein Schauer und strafte die warme Morgenluft Lügen.
Hastig, in plötzlicher Verzweiflung, kniete sie nieder und griff nach dem Schwert an Alex’ Seite. Nur um wenige Zoll würde sie die scharfe Klinge aus der Scheide ziehen und das Seil durchtrennen. Aber bevor sie den Griff berühren konnte, wurde ihr Handgelenk von harten Fingern umklammert. Verstört zuckte sie zusammen, von einem Schmerz erfasst, der so schnell wieder verflog, dass sie glaubte, er wäre reine Einbildung gewesen.
»Joanna...«
»Gerade wollte ich das Seil zerschneiden.«
»Ja, selbstverständlich.« Alex setzte sich auf, so abrupt, wie er aus seinem Schlaf gerissen worden war - aus einem Traum von Joanna, der in seiner Seele und in seinem Körper widerhallte. Sekundenlang fühlte er sich gedrängt, zu protestieren und sie weiterhin an sich zu binden. Ein würdeloser Gedanke, ein unerfüllbarer Wunsch.
Nachdem sein Schwert das Seil auseinander geschnitten hatte, sprang er auf. »Da drüben liegt der Teich. Vielleicht treffen wir dort einige meiner Männer, die in der Nähe des Höhleneingangs nach uns suchen.«
Die Wimpern gesenkt, nickte sie. Es wäre zu gefährlich gewesen, ihn anzuschauen. Wortlos, ohne einander zu berühren, gingen sie zum Ufer.
Noch bevor sie den Wasserfall erblickte, hörte sie ihn rauschen. In ihrer Fantasie erlebte sie noch einmal den beklemmenden Sturz aus der Höhlenöffnung, ins tiefe Wasser hinab, so intensiv, als würde es erneut geschehen.
Und dann, nach einem ermutigenden Atemzug, stellte sie sich der Herausforderung ihres inneren Konflikts. »Ich muss Royce sehen. Möglichst bald...«
Alex’ Schweigen dauerte viel zu lange. Schließlich starrte sie ihn an. Nur eine Armeslänge stand er von ihr entfernt -und trotzdem so unendlich weit weg.
»Natürlich«, stimmte er zu.
»Versteh mich doch...«, begann sie spontan, obwohl sie gar nicht wusste, was sie sagen wollte. Aber das spielte keine Rolle, denn in diesem Moment erklang ein Ruf.
»Archos!«
Beide drehten sich zu einem Krieger um, der sichtlich aufgeregt herbeirannte.
»Ist der Engländer in Sicherheit?«, fragte Alex.
»Ja, Archos, unterwegs nach Ilius.« Erleichtert wandte sich der Mann an seinen Kommandanten und vermied es, in Joannas Richtung zu schauen. »Heute Morgen holten wir die Nestor herüber und fanden eine Jolie am Strand. Darin bringen einige unserer Leute den Xenos zur Stadt.«
»Gut. Und die Stiermänner? Sind sie irgendwo aufgetaucht?«
»Nein. Nachdem wir die Explosion gehört hatten, bemühten wir uns vergeblich, in die Höhlen einzudringen. Den Göttern sei Dank, dass Ihnen nichts zugestoßen ist, Archos!«
»Nun müssen wir zurücksegeln. Sagen Sie der Besatzung, sie soll das Schiff klarmachen.«
Der Krieger neigte den Kopf und verschwand zwischen den Bäumen.
»Können wir gehen, Joanna?«, fragte Alex.
Weil sie ihrer Stimme misstraute, nickte sie nur und folgte ihm. Auf dem schmalen Weg, der zwischen Büschen zum Strand führte, streiften sich ihre Körper immer wieder. Jedes Mal
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