Insel meiner Traeume
dieser bekannt vor.«
»Falls du Recht hast - weißt du, wohin er fließt?«
»In die Nähe der Stelle, wo wir die Höhlen betreten haben. Dort fließt er ins Freie.« Alex umfasste ihre Hand noch fester. »Kannst du schwimmen?«
Obwohl die Frage vernünftig klang, verwirrte sie Joanna. Schwimmen? Das war ihr längst zur zweiten Natur geworden. Trotzdem wusste er nichts davon... »Ja«, antwortete sie schlicht.
»Was ich damit meine - kannst du wirklich schwimmen, in einer starken Strömung? Außerdem ist es auf einigen längeren Strecken unmöglich, aufzutauchen und nach Luft zu schnappen.«
Und es würde schrecklich dunkel sein...
Denk nicht daran, ermahnte sie sich. Denk nur an Alex. Bald bist du wieder mit ihm vereint, im Mondlicht. »Ich schwimme sehr gut.«
Eine Zeit lang betrachtete er ihr Gesicht und las Erschöpfung in ihren Augen. Aber ihr hoch erhobener Kopf und die gestrafften Schultern verrieten Stolz und unerschütterlichen Mut. »Also gut.« Er lehnte die Fackel an einen Felsblock, dann bückte er sich und ergriff den Saum von Joannas Kleid. Zu ihrer Verblüffung riss er einen langen, breiten Streifen ab. Dann zerrte er den Stoff mit beiden Händen auseinander, um die Widerstandsfähigkeit zu prüfen. »Erstklassige Seide, die müsste sich eignen.«
»Wozu?«
»Wir dürfen nicht getrennt werden, das wäre gefährlich.«
In der Finsternis... »Ja, ich würde lieber mit dir zusammenbleiben.«
»Ein kluger Entschluss. Nun werde ich ein Ende dieses behelfsmäßigen Seils um deine Taille binden, das andere um meine. Wir werden gemeinsam ins Wasser waten. Wenn ich auftauche, wirst du es spüren und meinem Beispiel folgen.«
»Du hast gesagt, an manchen Stellen kann man nicht Atem holen...«
Alex nickte. »Auf zwei ziemlich langen Strecken. Bevor wir sie erreichen, gebe ich dir Bescheid.«
»So gut erinnerst du dich daran? Wie oft bist du mit Atreus in diesem Fluss geschwommen?«
»Immer wieder - bis wir herausfanden, dass keiner den anderen übertrumpfen kann. Und das hat ziemlich lange gedauert.«
»Soll ich jetzt betonen, wie verrückt und leichtsinnig ihr beide wart? Oder wäre es besser, ich ließe es dabei bewenden?«
»Unter diesen Umständen empfehle ich dir Letzteres. Aber um dich zu trösten - sobald mein Vater davon erfuhr, wurden wir grausam bestraft.«
»Tatsächlich? Wie denn?«
»Einen Monat lang mussten wir ganz allein die Ställe ausmisten.« Da Joanna oft genug die Stallungen von Hawkforte gereinigt hatte, lächelte sie belustigt - bis er hinzufügte: »Die Atreiden besitzen immerhin mindestens dreihundert Pferde.«
»Großer Gott, dann habt ihr ja nichts anderes getan, als Boxen zu säubern.«
»Achtzehn Stunden pro Tag. Mein Vater meinte, wenn sich Herkules nicht zu gut dafür war, den Stall des Augias von allem Schmutz zu befreien, müssten wir uns auch dazu hergeben.«
»Ein Wunder, dass er euch nicht alle zwölf Herkulesarbeiten aufgebürdet hat...«
»Was den Waffengurt der Amazonenkönigin betrifft -den hätte ich sehr gern erobert.« Alex neigte sich zu ihr hinab und hauchte einen Kuss auf Joannas Lippen. »Bist du bereit?«
In diesem Augenblick war Schweigen Gold. Deshalb nickte sie nur und holte tief Atem. Nachdem er den provisorischen Strick um beide Taillen gelegt und verknotet hatte, folgte sie ihm in den Fluss.
Das Wasser war kühl, aber nicht unangenehm. Daheim war sie in viel kälteren Gewässern geschwommen, ohne Schaden zu nehmen. Aber nicht im Dunkeln. Nicht unter der Erde.
Nicht nachdenken, nur schwimmen.
In der reißenden Strömung wurden sie sehr schnell von der eingestürzten Höhle weggetragen. Joanna warf einen Blick über die Schulter und sah die Fackel ein letztes Mal flackern.
Nie zuvor war sie von so dichter schwarzer Finsternis eingehüllt worden. Ihr Herz pochte immer schneller, auch ihr Atem beschleunigte sich. Dagegen musste sie ankämpfen. Bald würde ihr Leben von ruhigen, gleichmäßigen Atemzügen abhängen. Sie ließ sich von der Strömung treiben, schwamm nur mit den Beinen und einem Arm, und das genügte, um den Kopf über Wasser zu halten. Mit der anderen Hand umklammerte sie das seidene Seil, das sie mit Alex verband. Sie spürte ihn etwas weiter vorn, zu ihrer Rechten. Einzig und allein seine Nähe half ihr, eine drohende Panik zu überwinden.
So dunkel... Sie schloss die Augen und sah etwas schimmern, winzige rote Flecken hinter den Lidern. Mit offenen Augen nahm sie weder einen Schatten noch eine Bewegung wahr -
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