Insel meiner Traeume
»er ist betrunken!«
»So wie fast jeder in diesem Raum, meine Süße. Jetzt sollten wir gehen.«
Während er sprach, gesellte sich Royce zu ihnen, sah seine Schwester hinter Alex stehen und nickte aufmunternd. »Gehen wir.«
Joanna zuckte zusammen. Dass die beiden wieder einmal die gleichen Gedanken hegten, erschien ihr fast unheimlich.
»Ganz meine Meinung«, stimmte Alex zu. Von Royce unterstützt, zog er sie zur Tür.
Doch sie kamen nicht weit. Plötzlich rief der Prinzregent: »Darcourt! Angeblich sind Sie ein Meisterschütze! Kommen Sie her, probieren Sie das Gewehr aus!«
Alex flüsterte einen Fluch vor sich hin, der Joannas akoranischen Wortschatz erweiterte. »Hier, Majestät? Wäre es nicht tragisch, die exquisite Einrichtung zu zerstören?«
»Oh, das werden Sie nicht tun«, entgegnete Prinny und hielt ihm die Waffe hin. »Davon bin ich fest überzeugt.«
»Das hat er absichtlich arrangiert«, seufzte Royce leise. »Mag er auch betrunken sein - auf dieser Demonstration wird er beharren.«
Joanna verstand sofort, was ihr Bruder meinte. »Und wer wird schießen? Der Marquess of Boswick, ein britischer Aristokrat, ein treuer Untertan des Königs und des Prinzregenten - oder der Prinz von Akora, ein leidenschaftlicher Verteidiger seiner Heimat?«
Zögernd runzelte Alex die Stirn. »Geht es wirklich darum?«
»Das nehme ich an. Schau doch, da drüben steht Perceval.«
An diesem Abend wirkte der Premierminister mürrischer denn je. Sein Blick irrte zwischen dem Prinzregenten und Alex hin und her.
»In diesem Fall, Majestät...«, begann Alex und legte Joannas Hand in die ihres Bruders. Dabei warf er Royce einen bedeutsamen Blick unter Männern zu, der prompt erwidert wurde, und ignorierte ihre Leidensmiene. »Selbstverständlich wäre ich entzückt.«
Ein Raunen ging durch die Menge. Hastig wurden Wetten abgeschlossen, atemberaubend schnell stiegen die Einsätze in die Höhe. Die meisten Gentlemen setzten auf Alex, berücksichtigten aber sorgsam alle Einzelheiten, die eine Rolle spielen würden, vom Licht bis zur Entfernung des Ziels.
Über den Parkettboden zog sich eine Linie, mit Kreide gezeichnet. Alex postierte sich dahinter. Von den Zielscheiben trennten ihn etwa sechzig Meter. Ohne eine Miene zu verziehen, schlüpfte er aus seinem maßgeschneiderten Rock und reichte ihn einem Lakaien.
Erbost musterte Joanna einige Damen, die dreist genug waren, Alex anzustarren und schmachtend zu stöhnen. Wie läufige Hündinnen, dachte sie. Natürlich würde sie echten Hündinnen niemals eine so unhöfliche Bezeichnung zumuten. Nun, vielleicht war an Royces Anspielung auf die Fuchsjagd doch etwas dran.
»Zielen Sie eine winzige Nuance nach links«, wies der Prinzregent den Marquess an.
Alex nickte, spähte am Lauf den Gewehrs entlang und feuerte. Am anderen Endes des Raums fiel eine Zielscheibe von der Wand. Ein Lakai eilte herbei, um sie dem Prinzregenten zu bringen.
»Ah, ein Volltreffer!«, verkündete Prinny. »Sehen Sie, mitten ins Zentrum.«
Noch während er sprach, nahm Alex eine andere Waffe von einem Diener entgegen, legte sie an die Schulter und schoss erneut. Die zweite Scheibe landete auf dem Boden, in der Mitte durchbohrt. In schneller Folge fielen alle Zielscheiben von der Wand. Wieder und wieder drückte Alex ab, scheinbar ohne zwischen den einzelnen Schüssen Atem zu holen. Jedes Mal traf die Kugel ins Schwarze. Das Publikum geriet außer Rand und Band, Männer und Frauen jubelten gleichermaßen.
Voller Unbehagen betrachtete Joanna die geröteten Gesichter. Verstanden diese Leute, was sie sahen? Ein akoranischer Prinz schoss auf britische Ziele - ein akoranischer Prinz bewies seine hervorragende Schießkunst. Trotzdem applaudierten sie ihm.
Nein, nicht alle. Schweigend, mit versteinerter Miene, stand Perceval etwas abseits. In seiner Nähe erweckte Lord Grey einen ähnlichen Eindruck. Doch so sah er meistens aus.
»Grandios!«, lobte der Prinzregent. Und dann - wahrscheinlich weil er betrunken war - hob er seine Stimme und fragte mitten in seinem fabelhaften chinesischen Zimmer am Meeresufer: »Was wissen Sie denn über Kanonen, Darcourt? Faszinierende Dinger, wie ich höre...«
»Kanonen?«, wiederholte Alex. Nach Joannas Ansicht verbarg er seine Verblüffung über die Kenntnisse des Prinz-regenten sehr gut. Er senkte das letzte Luftgewehr und ließ seinen Blick über die Menschenmenge schweifen. Leise, aber vernehmlich erwiderte er: »Im Gegensatz zu dieser hübschen Waffe sind
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