Insel meiner Traeume
Akora.«
»Von dieser Frau höre ich zu ersten Mal. Kassandra -welch ein eigenartiger Name.«
»Zu ihr passt er«, erklärte Alex und konzentrierte sich auf sein Blatt.
Am nächsten Morgen standen die Hawkfortes zeitig auf, um das Heilwasser zu trinken. »Ekliges Zeug«, klagte Joanna und beobachtete, was aus den Messinghähnen in der Trinkhalle bei den Bädern rann. Offensichtlich schütteten etliche Männer und Frauen hingebungsvoll die Flüssigkeit eimerweise in sich hinein. Sie war eine Lady. Und sie würde sich keinesfalls übergeben. Aber wie irgendjemand dieses Wasser vertragen und noch dazu gesund finden konnte, überstieg ihr Begriffsvermögen.
»Versuch, es mit Milch zu mischen«, empfahl ihr Royce fröhlich. Seine gute Laune überraschte sie kein bisschen, denn er hatte nicht die Absicht, auch nur einen einzigen Schluck zu nehmen.
»Lieber sterbe ich«, murmelte sie. Diskret eilte sie davon, dankbar für einen Kübel, der in der Nähe stand.
Manchmal gingen sie ins Theater. Amüsant, dachte Joanna. Aber kein Vergleich zu der mitreißenden Darbietung in der akoranischen Arena. Da fand sie die Pferderennen viel interessanter. Sie beobachteten, wie Prinny den Salut seines Regiments, der Tenth Hussars, entgegennahm, die in ihrer ganzen Pracht über den Paradeplatz außerhalb der Stadt marschierten. Überall waren sie eingeladen, zu sämtlichen gesellschaftlichen Veranstaltungen. Trotzdem reservierten sie ein paar Abende nur für sich selbst. Dann saßen Royce und Alex im Garten, redeten bis in die Nacht hinein, und ihre Stimmen begleiteten Joannas Träume, wenn sie in der großen Schaukel neben den Blumenbeeten döste.
Die Augustabende wurden länger. Bisher hatten sich Alex’ Angreifer nicht mehr blicken lassen. Aber er war ständig auf der Hut, ebenso wie Royce. Sie hatten vereinbart,
Joanna dürfte niemals allein ausgehen, immer nur in Begleitung des einen oder anderen oder mit beiden.
»Soweit ich mich entsinne«, betonte sie eines Abends auf der Rückfahrt vom Pavillon, »wurde Alex überfallen, nicht ich. Trotzdem kommt und geht er, wie es ihm beliebt. Und ich fühle mich allmählich wie eine dieser Araberinnen in den moslemischen Harems, hinter der - wie nennt man das? Purdah?«
»Ja, Purdah«, bestätigte Royce. »Das ist ein Vorhang oder eine Mauer, und beides dient dazu, die Frauen gegen Männerblicke abzuschirmen.«
»Alles in allem«, murmelte Alex, »gar kein so übles System.«
Belustigt erwiderte er den vernichtenden Blick, den Joanna ihm zuwarf. Dann nahm sein Gesicht ernste Züge an. »Royce und ich haben mehrere Männer beauftragt, in ganz Brighton und der Umgebung nach irgendwelchen Personen zu fahnden, die aus Akora stammen könnten. Bis jetzt wurde keine einzige Spur gefunden.«
»Vielleicht haben sie’s aufgegeben«, meinte Joanna.
Alex schaute ihren Bruder kurz an. »Ja, vielleicht«, stimmte er zu, keineswegs im Brustton der Überzeugung.
Wieder vergingen mehrere Tage. So wie die Nächte begannen auch die Partys früher und dauerten länger. Nur wenigen Leuten gelang die Anpassung an diesen veränderten Rhythmus. Unweigerlich begann ganz Brighton, einem übermüdeten, reizbaren Kind am Ende eines heißen Tages zu gleichen. Aber um die Monatsmitte herum erwachte die Stadt plötzlich zu neuem, energiegeladenem Leben und bereitete das größte Ereignis der Saison vor, den Geburtstag des Prinzregenten.
»Keine Ahnung, warum sie so viel Aufhebens machen«, behauptete Prinny, dessen Augen vor freudiger Erwartung glänzten. »Trotzdem finde ich es schrecklich nett.«
Dazu gab niemand den überflüssigen Kommentar ab, die Leute hätten gar keine Wahl. Das wäre unfreundlich und taktlos, dachte Joanna, denn die Stadtbewohner schienen Prinny aufrichtig zu mögen. Manchmal entwickelte sie selbst eine gewisse Sympathie für ihn, aber sicher nicht, als sie sich an dem großen Festtag in aller Herrgottsfrühe aus dem Bett schleppte.
»Höchste Zeit, dass Sie mal zu einer christlichen Stunde aufstehen, Mylady«, murmelte Mrs. Mulridge und riss die Jalousien hoch, durch deren Lamellen ohnehin frische Meeresluft hereindrang.
Stöhnend legte Joanna eine Hand über die Augen, um sie vor dem grellen Sonnenlicht zu schützen. »Am besten wäre ich gar nicht erst ins Bett gegangen, so wie es Royce vorgeschlagen hat. Warum muss die Seeschlacht schon jetzt stattfinden?«
Die Haushälterin schüttelte missbilligend den Kopf. »Damit genug Zeit für das ganze restliche Larifari bleibt. Noch
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