Insel meiner Traeume
zutiefst. Obwohl sie erst am Vortag auf Akora eingetroffen war, wusste sie die einzigar-tige Schönheit des Königreichs und die Kultur der Einheimischen zu schätzen. In einer Welt, von mörderischen Kriegen heimgesucht, musste ein solcher Ort gerettet werden -mochte es kosten, was es wollte. »Welches Ende haben Sie vorausgesehen, Prinzessin?«
»Von innen her geschwächt, fällt unser Königreich fremden Eroberern zum Opfer. Eine alte Geschichte... Und darin liegt eine gewisse Ironie, denn Akora wurde schon einmal erobert, auf ähnliche Weise.«
»Nach dem Ausbruch des Vulkans.«
»Das hat Alexandros Ihnen erzählt? Ja, genau das meine ich. Aber damals war die Natur für diese Katastrophe verantwortlich, diesmal werden Menschen die Schuld tragen.« Bevor Kassandra fortfuhr, schwieg sie eine Weile. »Sosehr ich’s auch bedauere, das auszusprechen - ich sah Soldaten in roter Uniform einmarschieren, an der Spitze eine Flagge in Rot, Weiß und Blau mit drei übereinander angeordneten Kreuzen.«
»Der Union Jack«, murmelte Joanna, »mit den Kreuzen, die St. George, St. Andrew und St. Patrick repräsentieren...« Kaltes Entsetzen stieg in ihr auf. »Also haben Sie beobachtet, wie die Briten in Ilius eindringen?«
»Allem Anschein nach«, erwiderte Kassandra sanft. »Können Sie sich vorstellen, warum Ihre Landsleute so etwas tun würden, Lady?«
»Eigentlich nicht - aber in England sind schwere Zeiten angebrochen. Da der König dem Wahnsinn verfallen ist, hat sein Sohn die Regentschaft übernommen, und sein Charakter lässt zu wünschen übrig. Seit fast zwanzig Jahren führen wir Krieg gegen Frankreich. Napoleon versetzt die Briten in Angst und Schrecken, was sie niemals zugeben würden. Vielleicht suchen einige Regierungsmitglieder - oder Gruppen, die nach der Staatsmacht streben - ein Abenteuer im
Ausland, um den Stolz der Nation wiederherzustellen und ihre Stärke zu demonstrieren. Das war möglicherweise der Grund, warum Royce hierher fuhr...«
»Wer ist Royce?«
Erst jetzt erkannte Joanna, dass sie mehr verraten hatte, als zunächst geplant. Das bereute sie nicht. Was ihr die Prinzessin anvertraut hatte, war grauenvoll - und übertriebene Vorsicht unangebracht. »Royce ist mein Bruder. Vor neun Monaten verließ er England, um nach Akora zu segeln. Er stand im Dienst des Außenministeriums. Aber ich glaube, er trat seine Reise ohne offizielle Genehmigung an. Vermutlich wollte er im Geheimen operieren, sozusagen hinter den Kulissen. Wie auch immer, er ist nicht zurückgekehrt, und ich mache mir große Sorgen um ihn.«
»Sind Sie deshalb hier?«
Joanna nickte. »Jahrelang habe ich Geschichten über Akora gehört. Ich weiß, wie die Xenos behandelt werden. Aber der Mann, von dem Sie und Ihr Bruder abstammen, wurde nicht getötet, und so klammerte ich mich an diese leise Hoffnung...«
Gedankenverloren starrte Kassandra vor sich hin und schien eine schwierige Entscheidung zu treffen. Dann schaute sie Joanna an. »Reiten wir ein andermal aus. Heute Morgen möchte ich Ihnen Ilius zeigen.«
Warum kam die Prinzessin plötzlich von einem so ernsten Thema ab, um einen eher banalen Vorschlag zu machen? »Ich denke nicht...«, begann Joanna konsterniert.
»Ziehen Sie eins von den Kleidern an, die Sida Ihnen gebracht hat«, fiel Kassandra ihr ins Wort. »Und danach gehen wir.«
Keine Bitte, sondern ein Befehl. Die Tochter des königlichen Hauses war zu der Ansicht gelangt, dieser Zeitpunkt würde sich für eine Besichtigungstour durch Ilius eignen.
Etwas mühsam zwang sich Joanna zur Geduld. Vielleicht würde sie in dieser intelligenten jungen Frau eine wertvolle Verbündete finden. Wenn sie sich ihr widersetzte, würde sie nichts gewinnen.
Trotzdem fiel es ihr schwer, sich den Wünschen der Prinzessin zu fügen. Sie ergriff das Gewand, das zuoberst auf dem Stapel lag, und gönnte ihm keinen einzigen prüfenden Blick. Im Badezimmer wusch sie sich hastig, zog das Kleid über ihren Kopf, versuchte, ihr zerzaustes Haar zu glätten, gab es auf und kehrte zu Kassandra zurück.
Die Prinzessin wühlte in den neuen Roben und entdeckte Sandalen. »Oh, Sie sehen wundervoll aus, Lady!«, rief sie.
Joanna schaute auf ihr meergrünes Seidenkleid hinab, das die Arme frei ließ, in lockeren Falten umspielte der Saum ihre Fußknöchel. »Zumindest ist diese Mode bequem«, meinte sie und schlüpfte in die Sandalen. »Gehen wir?« Je schneller sie den Spaziergang hinter sich brachte, desto eher konnte sie Alex suchen. In der
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