Insel meiner Traeume
Seite runterhängen? Vielleicht könnten Sie mir zeigen, wie man das macht. Aber bei uns gibt’s keine Damensättel. Würden Sie einen Herrensattel benutzen?«
»Oh ja, den ziehe ich auf Hawkforte vor. Damensättel sind so unbequem...«
»Ah, sehr gut! Ich zeige Ihnen meine Lieblingsplätze, zumindest alle, die in der Nähe des Palasts liegen. Wenn wir uns zu weit entfernen, ärgern wir Alexandros. Das Mittagessen nehmen wir mit. So was nennt man Picknick, nicht wahr?«
»Gewiss - Picknick«, bestätigte Joanna leicht verwirrt. »Aber ich muss mit Alex - mit Prinz Alexandros sprechen, es ist wirklich dringend.«
Inzwischen war Sida hereingekommen, begleitet von zwei Mädchen, auf deren Armen mehrere Gewänder lagen. Nachdem sie die letzten Worte gehört hatte, gab sie leise Laute von sich, die verdächtig wie ein Kichern klangen. Mit einem strafenden Blick brachte Joanna die Frau in sichtliche Verlegenheit.
»Ich muss mit Prinz Alexandros sprechen«, wiederholte Joanna, diesmal in entschiedenem Ton, und schaute eindringlich in Kassandras Augen.
»Oh - ich verstehe«, murmelte die Prinzessin. Sie zögerte nur kurz, dann wandte sie sich zu den Dienstboten und zeigte auf den Torbogen. Sofort eilten die beiden Mädchen hinaus, und die Haushälterin folgte ihnen etwas langsamer, in würdevoller Haltung, wie es ihrer Position zukam.
»Wollen Sie mir verraten, was nicht stimmt?«, fragte Kassandra, sobald sie mit Joanna allein war. »Vielleicht kann ich Ihnen helfen.«
Obwohl Joanna in Versuchung geriet, fühlte sie sich unsicher. Sie mochte die junge Prinzessin und war geneigt, ihr zu vertrauen. Doch nach allem, was Alex ihr über Akora erzählt hatte, wollte sie kein Wagnis eingehen. Wie viel - oder wie wenig - sie erzählen sollte, wusste sie nicht.
Kassandra bemerkte ihr Dilemma und inspizierte das Bett, auf dem die Decke nur zur Hälfte zurückgeschlagen war. »Habe ich die Situation missdeutet? Das müssen Sie mir verzeihen, Lady. Alexandros ist sehr klug. Zweifellos erwartete er, wir würden die offensichtlichen Schlüsse ziehen. Und dabei ließ er es bewenden.« Sie ging zum Fenster und starrte hinaus. Den Rücken immer noch zu Joanna gewandt, fügte sie hinzu: »Ich nehme an, er hat Atreus die Wahrheit gesagt.«
»Das weiß ich nicht. Als er letzte Nacht hierher kam, schlief ich. Und ich hatte mich so bemüht, wach zu bleiben...«
Abrupt drehte sich die Prinzessin um. Statt des fröhlichen, lebhaften Mädchens sah Joanna eine ernsthafte, entschlossene Frau. »Ich muss Ihnen etwas erklären. Nach meiner Geburt nannten mich meine Eltern Adara. Das bedeutet - schön. Sicher ist das ein Name, den liebevolle Eltern ihrem Kind geben.«
Verwundert schüttelte Joanna den Kopf. »Warum heißen Sie jetzt Kassandra?«
»Weil sich schon in meiner frühen Kindheit herausstellte, dass ich eine besondere - Gabe besitze, ein Talent, das ich manchmal verfluche.«
»Kassandra...?« Die Prinzessin von Troja, das zum Untergang verurteilt war, eine tragische Gestalt, verloren im
Nebel längst vergangener Zeiten voller Blut und Unheil. »Also können Sie in die Zukunft schauen?« Unglaublich... Und doch - nur zu gut wusste Joanna, dass auf dieser Welt viel mehr existierte, als die meisten Menschen auch nur ahnten. Mit dieser Tatsache, die über Hawkforte in der Luft lag, war sie aufgewachsen.
»Ja«, antwortete die Prinzessin. »Dieser Name soll die Menschen daran erinnern, was geschieht, wenn sie solche seherischen Gaben missachten.«
»Weil niemand an den Fall Trojas glauben wollte, den die legendäre Kassandra vorausgesagt hatte?«
»So ist es.«
Eine Zeit lang herrschte tiefe Stille im Schlafzimmer des Prinzen, das der goldene Glanz eines wolkenlosen Morgens erhellte.
Und dann brach Kassandra das Schweigen. »Ich habe den Untergang Akoras gesehen.«
»Nein .«
Die Prinzessin eilte zu Joanna, ergriff ihre Hand und führte sie zur Bank unterhalb des Fensters. »Hören Sie mir zu!«, bat sie eindringlich. »Nichts ist in Stein gemeißelt. Gar nichts! Nur dass der Schöpfer uns alle liebt. Es liegt in unserer Macht, die Zukunft zu verändern. Das wissen meine Brüder. Und sie tun ihr Bestes, um zu verhindern, was ich gesehen habe.«
Über Joannas Rücken rann ein eisiger Schauer. Mit bebender Stimme fragte sie: »Glauben Sie, das wird den beiden gelingen?«
»Da wir gewarnt sind, können wir das Unheil abwenden.«
»Hoffentlich behalten Sie Recht...« Was Joanna soeben erfahren hatte, erschütterte sie
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