Insel meiner Traeume
vor. Statt sich auszuruhen und ihm zu vertrauen, was die Suche nach ihrem Bruder betraf -sie vertraute ihm doch, oder? -, verzichtete sie auf den Komfort einer weichen Matratze. Ihre Lippen bebten. Als würde die Sorge sogar ihre Träume heimsuchen. Schlimmer noch - Alex beugte sich hinab und sah im schwachen Sternenlicht Tränen auf ihren Wangen glänzen.
In seiner Brust entstand ein Gefühl, das ihm beinahe die Luft abschnürte. Behutsam hob er Joanna hoch und trug sie zum Bett. Sie bewegte sich ein wenig. Aber sie erwachte nicht, und er legte sie unter die seidene Decke. So klein und zerbrechlich sie auch aussah - er beging nicht den Fehler, sie für hilflos zu halten. Sie besaß den Mut einer Löwin, eines jener Geschöpfe, die das Tor des Palasts bewachten und in den Mythen seines Volkes eine große Rolle spielten. Nun, sogar Löwinnen hatten manchmal ihre schwachen Momente.
Langsam setzte er sich neben Joanna auf den Bettrand und ergriff ihre schlanke Hand, drehte sie um und musterte die schmalen Finger, die täuschend zarten Knochen. Mit einem Daumen strich er über ihre Handfläche. Die Haut fühlte sich ein bisschen rau an - vielleicht von Pferdezügeln? Oder hatte sie einen Spaten geschwungen? Nur zu gut konnte er sich vorstellen, dass sie eine passionierte Gärtnerin war.
Die englischen Ladys, die er kannte, rieben sich unentwegt mit pflegenden Salben ein, mieden die Sonne und taten ihr Bestes, damit ihre Haut weich und makellos blieb. Bloß keine Spuren, die auf körperliche Arbeit hinwiesen - das wäre schrecklich blamabel. An dieses Getue hatte er sich nie gewöhnt.
Seufzend schob er Joannas Hand unter die Decke. Als er sie loslassen wollte, schlossen sich ihre Finger um seine, und sie murmelte irgendetwas vor sich hin. Was sagte sie? Er war sich nicht sicher, aber es klang verdächtig nach seinem Namen.
Zum ersten Mal seit der Rückkehr in sein Heim empfand er vollkommenen, tiefen inneren Frieden. Natürlich war das eine Illusion. Nichts hatte sich verändert. Nach wie vor wurde Akora von einer gefährlichen Krise bedroht. Doch das durfte er für eine kleine Weile vergessen. Entschlossen ignorierte er das lockende weiche Bett, das Feuer in seinem Blut. Dieser Frau zuliebe würde er bis zum Morgen hier sitzen, ohne Rücksicht auf seine eigenen Bedürfnisse, und einfach nur ihre Hand halten - was ihm zu seiner Verblüffung sogar genügte.
Wenigstens vorerst.
Im rosigen Licht des Sonnenaufgangs fuhr Joanna aus dem Schlaf hoch.
Kein sanftes Erwachen - eher die bestürzende Gewissheit, dass irgendetwas nicht stimmte. Stundenlang hatte sie auf Alex gewartet, um ihm zu erzählen, was sie seit dem letzten Abend wusste, um darauf zu bestehen... Nein, das würde ihr nichts nützen - um ihn zu bitten, sofort die Initiative zu ergreifen, ohne weitere Verzögerung.
Und dann war sie eingeschlafen.
Von ihrer Schwäche beschämt, sprang sie aus dem Bett, wanderte im Zimmer umher und überlegte, was sie tun sollte. Plötzlich hielt sie inne. Wie war sie ins Bett geraten? Das wusste sie nicht. Doch sie erinnerte sich an etwas - starke Arme, eine warme Hand, tröstliche Nähe.
Irgendwann in dieser Nacht hatte Alex den Raum betreten und sie ins Bett gelegt. War er bei ihr geblieben? Oh Gott, warum konnte sie sich nicht darauf besinnen? Erbost verfluchte sie die Erschöpfung, die sie zum Schlaf gezwungen hatte.
Enttäuscht und verwirrt, starrte sie ins Leere. Warum erwachte sie nicht, wenn er kam und ging? An Bord des Schiffs hatte er ihr das Frühstück gebracht, jetzt sorgte er für ihre bequeme Nachtruhe. Wie konnte sie das alles verschlafen ? Wieso fühlte sie sich in seiner Nähe so geborgen? Und so unsicher?
Überflüssige Fragen, sagte sie sich energisch. Nur Royce ist wichtig, sonst nichts und niemand... Er lebte, denn sie hatte seine Gegenwart gespürt. Sicher würde sie ihn finden, wenn sie sich darum bemühte, statt in einem luxuriösen Palast zu sitzen und in einem seidenen Bett zu schlafen.
»Vorhin hat Alexandros seine Männer auf den Exerzierplatz geführt«, verkündete Kassandra und schlenderte durch den Torbogen herein. Sie sah erfrischt und entspannt aus. Von der sonderbaren Episode des Vortags war ihr nichts mehr anzumerken. »Dort wird er wahrscheinlich den ganzen Tag verbringen. Möchten Sie mit mir ausreiten? Sie können doch reiten? Soviel ich weiß, sitzen alle englischen Ladys im Damensattel. Stimmt das? Wie seltsam muss das sein! Fällt man nicht vom Pferd, wenn beide Beine an einer
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