Insel meiner Traeume
ihre Frage. Obwohl sie noch näher trat, fürchtete er, sie zu erschrecken, zu verscheuchen, und so senkte er seine Stimme. »Da gibt es eine Legende, wie für die meisten akoranischen Eigenheiten.«
Sie betrachtete die dunklen Felsen, die den Teich umgaben. Dann wandte sie sich wieder zu Alex. »Eine Legende?« Ihr Blick schien seine Seele zu berühren.
In seinem erhitzten Blut spürte er seine männliche Macht, und er konnte erst nach einem tiefen Atemzug sprechen. »Vor langer Zeit hatte Frau Mond einen Liebhaber.«
»Frau Mond?«, wiederholte sie verwundert. »Nicht der Mann im Mond? Eigenartig...«
»Keineswegs. Das weißt du.« Als sie verständnislos die Brauen hob, fügte er hinzu: »Du blutest mit dem Mond.«
Errötend senkte sie die Wimpern, bevor sie ihn herausfordernd anstarrte. »Darüber spricht man nicht.«
»Auf Akora schon. In solchen Dingen sind wir sehr vernünftig. Frau Mond lenkt die Gezeiten, auch jene, die in den Frauen fließen. Wie ich bereits sagte - vor langer Zeit hatte sie einen Liebhaber. Die Erde erregte seine Neugier. Eines Abends neigte er sich zu weit aus seinem himmlischen Fenster, fiel herab und ertrank in diesem Teich. Dieser Verlust stürzte Frau Mond in tiefe Verzweiflung. Bei Vollmond, und wenn der Wind aus einer bestimmten Richtung heranweht, hört man sie immer noch seufzen.«
»Wie romantisch...«
Ihr bissiger Ton brachte ihn zum Lachen. Offenbar hielt Lady Joanna Hawkforte nicht viel von Romantik. Sie war kein naives Mädchen mit verschleierten Augen, sondern eine praktisch veranlagte Frau. Zumindest wollte sie diesen Eindruck erwecken. Sie, die alle rationalen Bedenken in den Wind geschlagen hatte, um ein verborgenes Königreich aufzusuchen und eine gefährliche Mission zu erfüllen - und die jetzt vor ihm stand, vom Mondlicht übergossen, verführerisch schön...
»Also ziehst du die Realität der Romantik vor. Ich auch, wie ich gestehen muss - aber nur weil ich die Wirklichkeit letzten Endes viel aufregender finde.« Er kniete nieder und tauchte eine Hand in den Teich. Als er sie hochhob, hingen leuchtende Tropfen daran. »In diesem Wasser leben winzige Geschöpfe, die tagsüber das Licht der Sonne absorbieren und es nachts zurückstrahlen. Ich habe sie unter einem Mikroskop studiert. Wenn du willst, werde ich’s dir zeigen. Stell dir das vor - ein Universum voller Lebewesen, so klein, dass du sie gar nicht bemerken würdest, wäre die Natur nicht so großzügig, uns mit einem besonderen Wunder darauf hinzuweisen.« Er griff nach Joannas Hand und zog sie neben sich hinab.
Langsam rann schimmerndes Wasser auf ihre Handfläche. Welch ein verwirrendes Gefühl, kühles Licht festzuhalten ... Einige Tropfen rannen zwischen ihren Fingern hindurch. Die fing sie mit der anderen Hand auf, beugte sich vor und gab sie dem schimmernden Wasser zurück. »Können diese Tierchen außerhalb des Teichs überleben?«
»Wahrscheinlich nicht.« Ihre Sorge um diese winzigen Wesen rührte ihn.
Eine Zeit lang knieten sie schweigend nebeneinander und betrachteten die glatte Wasserfläche. Während Joanna in die silbrigen Tiefen starrte, konzentrierte sie sich darauf, langsam und gleichmäßig zu atmen. Fast schmerzhaft wurde ihr Alex’ Nähe bewusst. Ihre Lippen, ihre Hände, ihre Arme -ihr ganzer Körper fühlte seine Berührung, als würden sich süße Erinnerungen mit verlockender Realität mischen. Sekunde um Sekunde, Herzschlag um Herzschlag, musste sie ihren Drang bekämpfen, sich diesem Mann zuzuwenden, der die Gesetze seiner Kultur brach, weil er ihr helfen wollte. Er weckte Bedürfnisse in ihr, die sie zuvor nicht gekannt hatte, und er begegnete ihr mit unwandelbarer Sanftmut und Geduld, obwohl er sie ganz anders behandeln könnte. Und er würde sie sogar durch sein Vergrößerungsglas schauen lassen. Offenbar nahm er an, sie wäre intelligent und neugierig genug, um dieses Angebot zu schätzen. Welcher englische Gentleman würde sich so wundervoll verhalten?
Sie lachte leise, dann begegnete sie Alex’ fragendem Blick, und ihre Heiterkeit verflog sofort. Stockend begann sie ihren Bericht. »Heute Abend - hörte ich Deilos und Troizus reden - zwei der Ratsmitglieder, die sich gegen die geplanten Reformen stellen, nicht wahr?«
Diese Frage beantwortete er nicht sofort. Unwillkürlich versteifte er sich. Er war fest überzeugt gewesen, sie hätte den Abend in der Sicherheit seiner Suite verbracht, statt im Dunkeln umherzuwandern und Männern über den Weg zu laufen, die
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