Insel meiner Traeume
ihr vielleicht feindlich gesinnt waren. Diesen Fehler würde er kein zweites Mal begehen. Wie töricht, irgendetwas für bare Münze zu nehmen, wenn es Joanna Hawkforte betraf... »Ja«, bestätigte er mit scheinbarer Gelassenheit, die er keineswegs empfand. »Und wie hast du die beiden getroffen?«
Mit einem Achselzucken tat sie die Gefahr ab, in die sie geraten war. »Ich fühlte mich rastlos, und so beschloss ich, den Palast zu erforschen. Als ich durch den Empfangssaal wanderte und die Fresken hinter den roten Säulen besichtigte, hörte ich plötzlich die Stimmen dieser Männer.«
»Haben sie dich gesehen?« Wenn ja, würde er sofort gegen Deilos vorgehen und Joanna vor möglichen Attacken schützen müssen.
»Oh nein, sicher nicht - sonst hätten sie nicht so freimütig gesprochen. Ich versteckte mich hinter einer Säule und belauschte eine ernsthafte Debatte. Offensichtlich glaubt Deilos, seine Mitstreiter sollten unverzüglich handeln, und Troizus neigt zur Vorsicht.«
Nun entspannte sich Alex ein wenig. Also war die Situation nicht so brisant, wie er es befürchtet hatte. Aber schlimm genug. »Ich kenne Deilos seit unserer Kindheit, und er konnte noch nie auf irgendetwas warten.«
»Dann hat er sich nicht geändert.« Sie strich eine Haar-strähne beiseite, die über ihre Wange gefallen war, und schaute ihn wieder an. So dicht kniete er neben ihr... Selbstvergessen betrachtete sie seine wohlgeformten Lippen, ehe sie sich hastig abwandte. »Er beteuerte, er würde Troizus’ Ansichten respektieren, was ich für eine Lüge halte. Vielleicht irre ich mich. Aber ich gewann den Eindruck, er würde geradezu darauf brennen, in Aktion zu treten.«
»Hat er sonst noch was gesagt?«
»Er erwähnte die Kanonen, die du nach Akora gebracht hast.«
»Nun, das war unvermeidlich. Heute hat Atreus den Regierungsrat darüber informiert. Natürlich weiß Deilos, wofür die Waffen bestimmt sind - um unser Land gegen eine Invasion zu verteidigen.«
Gegen eine britische Invasion, ergänzte Joanna in Gedanken und erschauerte. »Nach seinen Bemerkungen zu schließen, glaubt er, die Geschütze würden sich gegen ihn persönlich richten.« Angespannt verstummte sie. Würde Alex die Bedrohung bestätigen oder abstreiten, die sie dazu getrieben hatte, ihn am Teich der Seufzer aufzusuchen? Sicher konnte Deilos’ Kampfgeist nur erklärt werden, wenn er einen Grund hatte, die verstärkten Verteidigungsbastionen der Atreiden zu fürchten.
Alex schüttelte die letzten Wassertropfen von seiner Hand, sah sie in den Teich fallen und stand auf. Betont beiläufig erwiderte er: »Mach dir Deilos wegen keine Sorgen. Wenn es an der Zeit ist, werde ich mich mit ihm befassen.«
Auch Joanna erhob sich, aber sie zauderte, weil sie sich nicht unter Kontrolle hatte. Viel zu deutlich spürte sie die warme Nachtluft im Gesicht, den dünnen Stoff ihres Kleides an den harten, unerklärlich empfindsamen Knospen ihrer Brüste - und die lebhafte Erinnerung, wie es gewesen war, Alex in ihrem Geist zu suchen, zu finden.
»Selbstverständlich bereitet mir Deilos’ Tatendrang Sorgen. Welche Gefahr er darstellt, weiß ich nur zu gut. Du solltest mich nicht wie ein Kind behandeln, das man vor der Wahrheit schützen muss.«
»Glaub mir«, murmelte er, »dass du kein Kind mehr bist, ist mir schon längst aufgefallen.« Entschlossen wandte er sich zum Gehen.
Welche Gefühle hatten seine Küsse entfacht?
Diesmal ließ sie nicht ihre Seele davonwandern - sie streckte ihre Hand aus, berührte seinen Unterarm, schlang ihre Finger in seine. »Warte.«
Er blieb stehen und rang mit einem tiefen Atemzug um seine Selbstbeherrschung. Langsam hob er ihre und seine Hand, die sich umfassten, und betrachtete sie - schmale Finger neben starken, helle neben dunklen, eine perfekte Ergänzung, als wären sie füreinander geschaffen. Das Verlangen steigerte sich zu heißer Glut. Doch die Ehre gebot ihm Einhalt. »Es gibt Grenzen, Joanna.«
Sie ließ die Warnung einfach an sich abprallen. »Ist das Leben nicht unendlich kostbar?«
»Ich sagte doch, du musst Deilos nicht fürchten.«
»Nicht nur ihn - alles. Meine Eltern habe ich bereits verloren, vielleicht auch meinen Bruder...« Beinahe brach ihre Stimme. »Ich kam hierher, in ein Inselreich voller Frieden und Schönheit. Und dann erkannte ich, dass es ebenso bedroht wird wie die Außenwelt. Womöglich wird uns nur dieser Moment vergönnt.«
In seinen Augen las sie tiefes Verständnis. Trotzdem gab er zu bedenken:
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