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Insel meines Herzens

Insel meines Herzens

Titel: Insel meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josie Litton
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Steuerbord, neben dem Bug.«
    Zunächst entdeckte sie nichts, dann erahnte sie eine nebelhafte Erhebung, die sie kaum erblickte, eher fühlte – eine weiche Kurve am Horizont. Was dem Auge entging, erkannte ihr Herz sofort.
    »Akora«, flüsterte sie, und heiße Freude verdrängte ihre Verwirrung.

Kapitel 12
    Ü ber hundert Fuß hoch ragten die Klippen empor, boten weder Händen noch Füßen Halt, konnten unmöglich erklommen werden. Nur wenige, kaum verwurzelte Büsche wuchsen aus dem Gestein, trotzten zwar dem Wind, würden sich aber unter dem Gewicht eines Kletterers sofort aus dem Boden lösen. Am Fuß der Klippen schlug eine gewaltige Brandung gegen die Felsblöcke. Nirgends gestatteten Strände eine sichere Landung, keine Buchten dienten als Häfen.
    Und so war es nicht verwunderlich, das Akora den Namen »befestigtes Königreich« trug. Obwohl sich Brianna der Küste an Bord eines akoranischen Schiffs mit der königlichen Flagge näherte, verstand sie die Ehrfurcht und Verblüffung aller Xenos – der Fremden, die in törichtem Leichtsinn zu dicht heransegelten.
    Vor über dreitausend Jahren hatte ein Vulkanausbruch die Insel auseinander gerissen. Ein Lavastrom war ins Meer gestürzt, rasch abgekühlt und hatte den Wall gebildet, hinter dem sich die Akoraner vor der restlichen Menschheit verbargen. Nun wurde die Barriere von einer Welt bedroht, die sich rapide änderte, mit neuen Waffen und neuen Ideen gerüstet. Dagegen behauptete sich das Inselreich nach wie vor, dank des Mutes und der Entschlossenheit seiner Bewohner.
    Würde dies genügen? Die Frage bewegte Brianna, während das königliche Schiff seine Heimat ansteuerte. Direkt vor dem Bug sah sie die Lücke zwischen den Klippen, die zur südlichen Meerenge führte. Die Öffnung wirkte schmal und keineswegs einladend. Doch der äußere Schein trog. Sogar größere Schiffe als jene, die der Flotte des Vanax angehörten, konnten hindurchsegeln, unsichtbar für etwaige vor der Küste lauernde Beobachter der Kurve des Meeresarms folgen und das Binnenmeer erreichen.
    Dort schimmerte das Wasser über dem ertrunkenen Herzen von Akora dunkel im schwindenden Tageslicht. Seevögel suchten ihre Nester, ihre klagenden Schreie mischten sich mit dem Wispern des Windes, mit dem Ächzen der Takelage. In der Ferne erkannte Brianna die verschwommenen Umrisse dreier niedriger Buckel, der kleinen Inseln, die zusammen mit dem königlichen Eiland Kallimos und Leios, ihrem Zuhause, Akora bildeten. Instinktiv wandte sie sich westwärts und hielt nach Leios Ausschau, aber es lag zu weit weg. Trotzdem pochte ihr Puls schneller. Ihre Mutter würde vielleicht gerade das Abendessen vorbereiten. Oder die Eltern waren bei Freunden eingeladen, dann würde Leoni irgendwelche köstlichen Speisen mitbringen. Dachten die beiden an ihre Ziehtochter? Monatelang hatte sie in England gewohnt, fast ein halbes Jahr. Zahlreiche Briefe waren hin und her geschickt worden, ein unzureichender Ersatz für den beglückenden Alltag, den sie so viele Jahre lang mit ihrer akoranischen Familie geteilt hatte.
    Und was machten die Brüder? Insbesondere Polonus galten ihre Gedanken, der ihrer Altersstufe am nächsten war und ihr so große Sorgen bereitete. Vor ihrer Abreise hatte sie ihn zur Vorsicht ermahnt, aber die passte wohl nicht zu seinem Wesen.
    Im Osten erblickte sie Kallimos, allerdings nur die südliche Spitze, wo der Wachtturm bereits sein Licht durch die Abenddämmerung sandte. Immer wieder flammte es auf und erlosch. Dieser Rhythmus variierte entsprechend dem Signalcode, den die Akoraner seit Jahrhunderten benutzten. An Deck des königlichen Schiffs, dicht neben Brianna, öffnete ein Besatzungsmitglied eine metallene Feuerbuchse, in der blank polierte Spiegel die Flammen vergrößerten, und beantwortete den stummen Ruf. Hell, dunkel, dunkel, hell, dunkel... Einige Minuten lang wurden die Signale ausgetauscht, bis der Wachtturm aus der Sichtweite geriet.
    Plötzlich trat Atreus an ihre Seite, und sie fragte: »Was haben sie einander erzählt?«
    »Das Übliche«, erwiderte er, eine Hand auf der Reling. »Wir gaben uns zu erkennen und nannten unseren Hafen Ilius. Jetzt leitet der Wachtturm, den wir soeben passiert haben, die Neuigkeit an den nächsten in der Kette weiter, der verständigt den dritten, und so fort. In einer halben Stunde müsste Ilius die Nachricht erhalten.«
    »So schnell?« Bevor der Wind und die Flut die Flotte zur königlichen Stadt brachten, würden noch mehrere Stunden

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