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Insel meines Herzens

Insel meines Herzens

Titel: Insel meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josie Litton
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Wind. Das hatte er auf Hawkforte bemerkt und versucht, mit ihr darüber zu reden. Doch sie war ihm ausgewichen. Jetzt musste sie ihm alles erzählen, und danach würde er sie beruhigen und von ihrer Angst befreien.
    »Sicher wirst du mir nicht glauben.« Unglücklich senkte Brianna die Wimpern und schien sich an ein altes Leid zu erinnern.
    »Warte es doch ab!« Er rückte sie auf seinem Schoß zurecht, legte ihren Kopf an seine Schulter und fügte in ruhigem Ton hinzu: »Um das Unwetter geht es nicht, sondern um den Wind. Habe ich Recht?«
    Schweigend nickte sie.
    »Du fürchtest dich vor dem Wind.«
    »Nicht immer. Normalerweise gehört er einfach zur Natur. Aber manchmal weht ein böser Wind.«
    »Ein böser Wind, der Schaden anrichten kann?«
    »Ja. Hin und wieder bläst er nur die Wäsche von der Leine, oder er regt die Kühe auf. Aber an gewissen Tagen...« Krampfhaft schluckte sie. »In meiner Kindheit fing es an. Deshalb sind wir so oft umgezogen.«
    »Weil du Angst vor dem Wind hattest?«
    Verzweifelt schüttelte sie den Kopf. »Weil ich ihn heraufbeschwor.«
    Atreus misstraute seinen Ohren. »Unmöglich!«
    »Doch, es ist wahr.«
    »Brianna, du warst ein Kind. Für die zahlreichen Übersiedlungen deiner Familie muss es andere Gründe geben, die du nicht kennst.«
    »Darüber hörte ich meine Eltern reden. Auch sie wollten es nicht glauben. Aber es geschah so oft, und schließlich gab es keinen Zweifel mehr.«
    Das muss sie missverstanden haben, dachte Atreus. Damals war sie noch so klein, und sie erinnert sich nur ganz vage an die ersten Lebensjahre...
    »Und später, Brianna? Als du nach Akora kamst? Leoni und Marcus glauben das alles sicher nicht, oder?«
    Schaudernd befreite sie sich aus seinen Armen und sprang auf. In die Decke gewickelt, stand sie da – eine seltsam trostlose Gestalt – und starrte den Mann an, der aus dem Stein auftauchte. »Während der Fahrt nach Akora... Kurz bevor die Wellen über meinem Vater zusammenschlugen, hob er seinen Arm. Wahrscheinlich versuchte er mir etwas zu sagen.«
    Das Grauen dieser Vision, die unauslöschlich in ihrer Seele haftete, erschütterte Atreus zutiefst. Gerade dieses Thema, der Tod ihrer Eltern, hätte jetzt nicht zur Sprache kommen dürfen. »Tut mir Leid, wenn dich diese Statue daran erinnert...«
    Offenbar hörte sie ihm nicht zu. »An jenem Tag war ich so aufgeregt. Ich hasste das Schiff und wollte nach Hause – zu dem letzten Ort zurückkehren, wo wir gewohnt hatten. Dort hatte ich trotz unseres kurzen Aufenthalts eine nette Freundin gefunden. Ich glaube, sie hieß Emmeline.«
    »Also erinnerst du dich an die Ereignisse des Unglückstags?« Unmöglich... Das hätte er bereits bemerkt.
    »Nur bruchstückhaft. Ich entsinne mich, wie traurig ich war, und ich weiß, dass der Wind aufkam.«
    Der Wind... Der Erkenntnis, die er allmählich gewann, folgte fassungsloses Staunen. Er trat vor sie hin, umfasste ihre Schultern, zwang sie, ihn anzuschauen. »Bildest du dir etwa ein, du hättest etwas mit dem Schiffbruch zu tun?«
    Nun wurde ihr dumpfes Leid von schmerzlicher Resignation verdrängt. »Da gab es andere Stürme, andere Zeiten. Eines Tages umzingelten mich irgendwelche Dorfkinder und nannten mich eine Hexe. Der Wind, der aus heiterem Himmel zu toben begann, schleuderte Bäume zu Boden. Ein anderes Mal wehte ein Dach davon.«
    »Reiner Zufall. Mehr nicht.«
    Wehmütig lächelte sie. »Leoni und Marcus wissen es. Nicht alles, damit würde ich sie niemals belasten. Aber sie sahen es oft genug mit an.«
    »Das alles nimmst du tatsächlich ernst.« Damit die Worte einen Bezug zur Wirklichkeit herstellten, musste er sie laut aussprechen. Jahrelang hatte sie mit dieser Bürde gelebt, unentwegt von seelischen Qualen verfolgt.
    Im Lauf seiner kriegerischen Ausbildung hatte ihm ein Lehrer erklärt, ein Mann könne ein so überwältigendes Entsetzen empfinden, dass alle anderen Gefühle ersterben würden. Das hatte er ein einziges Mal erlebt, vor langer Zeit, in einem Moment, den er so gern vergessen würde. Auch er wusste, was es hieß, wenn man böse Erinnerungen und Gewissensnöte verkraften musste. Aber in seinem Fall war die Schuld real, denn er hatte Briannas Eltern getötet – in ehrbarer Absicht, um Akora zu retten. Doch das änderte nichts an seiner Verzweiflung.
    Und die Selbstvorwürfe, die Brianna plagten? Würde er sie von einer so unsinnigen Last befreien können?
    »Wohin gehst du?«, fragte sie, während er sie aus dem Studio und in das

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