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Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Titel: Insel zweier Welten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geraldine Brooks
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–, konnte mich im Haushalt einbringen und vielleicht auch dem Stamm der Takemmy behilflich sein. Irgendwann würde ich eine Schule gründen, in der die Indianerkinder unterrichtet würden, ich würde ihnen selbst das Evangelium verkünden, wenn der sonquem es erlaubte. Mit der Wahl Merrys würde ich meinen Großvater erfreuen und auch mit Makepeace kein Zerwürfnis herbeiführen. Auch diese letzte Überlegung war – was mich zugegebenermaßen überraschte – nicht ganz unwichtig für mich, selbst nach all der schlechten Behandlung, die ich von ihm erfahren hatte.
    Würde ich hingegen Samuel Corlett erwählen, so wäre ich verpflichtet, ihm überall dorthin zu folgen, wohin die Arbeit ihn führte, selbst wenn das bedeutete, zurück nach Übersee an irgendein College in England zu gehen oder an eine Universität an einem gänzlich fremden Ort wie Padua, wohin es Absolventen von Harvard gelegentlich verschlug. Sehr wahrscheinlich würde es jedoch ein Leben in der beengten Stadt Cambridge inmitten der unwirtlichen Moore sein, unter dem Joch der Kolonie von Massachusetts Bay und als Teil einer Gemeinschaft, die strenger und eifernder war als diejenige, in der ich aufgewachsen war. Eine Familie mit dem kargen Salär eines Gelehrten durchzufüttern, würde ein Leben des Mangels und der Entbehrungen bedeuten. Doch ich wäre mit einem Mann verheiratet, dessen Geist und Verstand ich bewundern konnte. Ich würde inmitten von Büchern und Denkern leben, würde an Gesprächen teilnehmen, die mich inspirierten, und jeder Tag, an dem ich etwas Neues lernen konnte, wäre wie ein Geschenk für mich. In einem solchen Leben könnte ich den jungen Studenten nützlich sein – eine Frau im Leben von Jungen wie Joel und Caleb, die man ihrer eigenen Familie und ihresgleichen entrissen hatte. Ich würde in Calebs Nähe bleiben und ihm helfen können, auch die harten Zeiten am College durchzustehen, die mit Sicherheit auf ihn zukommen würden. Vielleicht würde ich irgendwann Samuel dafür begeistern können, als Tutor für Indianer tätig zu werden – den Ausbau des Indian College tatkräftig zu unterstützen, wäre ganz bestimmt eine gute Sache, denn so könnte man Jahr für Jahr frisch ausgebildete junge Propheten hinaus in die Wildnis schicken, damit sie das Evangelium verkündeten. Statt nur in einer Indianersiedlung tätig zu sein, könnte ich auf diese Weise vielen Menschen helfen. Möglicherweise würde sich Samuel ja dazu entschließen, selbst bei den Indianern zu predigen – Träumen war erlaubt und konnte nicht schaden – und Vaters Arbeit auf der Insel fortzusetzen. Und auch wenn eine Entscheidung für ihn auf den ersten Blick weniger pflichtbewusst und halsstarriger wirken mochte, so war ich mir sicher, Großvater würde die Vorteile einer solchen Verbindung erkennen und irgendwann Makepeace davon überzeugen, sie zu akzeptieren.
    Nachdem Caleb mir dabei geholfen hatte, meine Gedanken so zu ordnen, wie ich sie hier dargelegt habe, wandte er sich mit einer weiteren Frage an mich: »Du sagst, einerseits und andererseits, und alle Argumente sind auf ihre Art wichtig. Doch du sprichst viel mehr über das Leben, das du führen wirst, als über den Mann, mit dem das sein wird. Denn einen wichtigen Punkt hast du mir noch gar nicht mitgeteilt. Du musst nicht darüber sprechen, aber frag dich einmal selbst: Bei welchem der Männer schlägt dein Herz schneller?«
    Ich gab ihm keine Antwort, doch während er mir die Frage stellte, gab mein Herz die Antwort. Hitze stieg in mir auf, mein ganzer Kopf begann zu prickeln. Auf manche Fragen gibt es eine Antwort, auf andere nicht. Und wieder andere sollte man nie stellen, nicht einmal sich selbst.
    Ich streckte die Hand aus und nestelte an meiner Haube, zog die Krempe weit ins Gesicht, damit niemand sehen konnte, wie rot ich geworden war. Dann beschleunigte ich meine Schritte und schloss zu Anne und Joel auf.
    Und nun sitze ich hier am Küchentisch, während Anne sich auf ihrer Pritsche im Schlaf herumwälzt. Überall im Haus knirscht und ächzt es. Oben auf dem Dachboden knarrt eine Holzdiele, weil ein Junge aufgestanden ist, um in einen Nachttopf Wasser zu lassen. Heute Abend hat der Master mir mitgeteilt, dass Samuel Corlett mich morgen früh aufsuchen wolle, und ich dafür sorgen möge, ihn allein zu empfangen.
    Die Kerze flackert. Ich strecke die Hand aus und halte eine Fingerspitze in das flüssige Wachs. Es wird hart, und ich pelle es ab, schaue mir die Rillen meines Fingers an, die

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