Insel zweier Welten: Roman (German Edition)
sich der Nebel und der Sturm auf seine Weisung hin erhoben haben, dann bedeutet das doch, dass Satans teuflische Machenschaften denen Gottes überlegen sind. Wie könnte das sein? Das kannst du doch nicht wirklich glauben …«
»Ich finde jedenfalls, er sollte für diese schrecklichen Hexereien zur Rechenschaft gezogen werden. Das habe ich auch Großvater schon gesagt. Als oberster Richter muss er doch endlich handeln …«
»Aber Makepeace, Großvater ist nur der Richter über die Engländer. Seine Anweisungen gelten nicht bei den Menschen, die sich nur ihren sonquems verantwortlich fühlen.«
»Das hat er mir auch gesagt. Genau das waren seine Worte. Doch wenn er nicht handelt, dann bin ich gewillt, Giles Alden um Hilfe zu ersuchen.«
»Bruder, nein!« Ich sprang von dem bemoosten Stein auf, wo ich gesessen hatte, und ging auf und ab. »Das wäre genau das Zugeständnis, das Alden sich wünscht. Denn er würde mit Freuden einen Krieg anzetteln, wenn er könnte. Glaubst du denn, er würde bei Tequamuck aufhören? Und selbst wenn, meinst du, dessen Nachfolger würden ein solches Vorgehen ungeahndet durchgehen lassen? So mancher Engländer würde den Tod finden, und dann hätte Alden den lang ersehnten Vorwand, die Insel entvölkern zu lassen. Ehe wir’s uns versehen, würde er seine Musketen schwenkenden Aufschneider vom Festland herüberholen. Es würde ein Gemetzel geben …«
Ich nahm Makepeace’ Hände in die meinen, schaute ihm ins Gesicht. »Du musst das begreifen. Es ist das Letzte, was sich unser Vater gewünscht hätte …«
»Und was dann? Sollen wir ihn einfach weiterleben und sich in seiner Bosheit suhlen lassen? Sollen wir es einfach hinnehmen, dass er mit dem Satan im Bunde steht und nach seinem Geheiß handelt? Und sollen wir abwarten, bis er nicht nur heidnische Seelen, sondern auch die frömmsten unter unseren lebenden Heiligen abschlachtet?«
»Nein. Keineswegs. Doch ich will ihn mit dem Glauben bekämpfen, so wie Vater es tat. Denk doch nur, Bruder: Ich aber sage euch, dass ihr nicht widerstreben sollt dem Übel … Sind das nicht Christi Worte? Wie können wir ihnen diese schwierige Botschaft überbringen, wenn wir nicht selbst in unserer Zeit bitterster Anfechtung danach leben? Und wie willst du von Caleb erwarten, dass er auf unserem Pfad bleibt, wenn wir zum Werkzeug eines Blutvergießens werden und seine nächsten Verwandten niedermetzeln?« In diesem Augenblick sah ich, wie sich Makepeace’ Antlitz gegen mich verhärtete, während ich heftiger wurde. Ich kämpfte um Selbstbeherrschung, senkte meine Stimme und bemühte mich, eine sanftere Miene aufzusetzen. »Tu das, was Vater mit dir vorhatte. Schaff es ans Harvard College, bereite dich darauf vor, Pfarrer zu werden. Hilf Joel, hilf Caleb, damit sie bei diesem Unterfangen an deiner Seite stehen. Denn es gibt keine Grenzen für die großartigen Dinge, die vollbracht werden könnten, und vor allem mithilfe von Caleb, der unter ihnen die höchste Geburt hat …«
»Caleb!« Makepeace zischte den Namen und trat dabei mit der Stiefelspitze nach einem Torfklumpen. »Ich hab es satt, mir Geschichten über Caleb und seine Großartigkeit anzuhören. Dieser Caleb stammt doch aus der gleichen Brut wie sein Onkel, der täglich mit dem Satan Unzucht treibt! O ja: Blut ist dicker als Wasser, Schwester. Aber es ist kein vornehmes Blut, das durch seine Adern fließt. Es ist Hexerblut. Seine eigenen Leute haben das sehr wohl gewusst, als sie ihn hinausgeschickt haben, um ihn bei seinem Onkel, diesem Diener der Finsternis, leben zu lassen. Ich kann es kaum ertragen, bei Tische neben ihm zu sitzen und eine Schüssel aus seinen Händen entgegenzunehmen. Ich sage dir, es ist, als würde ich am ganzen Körper von Dornen gestochen, wenn ich ihn bei der Versammlung neben mir sitzen habe und mit anhöre, wie er Gottes Wort flüstert, er, der vor noch gar nicht langer Zeit in der Wildnis gelebt hat, um Satan herbeizurufen. Und doch höre ich überall um mich herum nur Lobgesänge auf seine überwältigende Klugheit: ›Caleb kann Vergil interpretieren‹ … ›Calebs Verständnis des Evangeliums‹ … ›Calebs gestochene Schrift‹ …«
Er wandte sich mir zu und schaute mich sonderbar an. Seine Augen wurden schmal. »An dem Tag, als Solace ertrank: Ist dir denn nie aufgefallen, dass es Caleb war, der sie fand? Dass er schnurstracks, wie ein Pfeil, zu jenem Wasserloch lief, ohne zu zögern? Wer kann sagen, ob er nicht einen tödlichen Zauber über sie
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